Full text: Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

eigentlich ein künstliches Flechten, das durch den Klöppelsack, ein 
eylinderförmiges Kissen, auf dem ein Papierstreifen mit dem vor 
gezeichneten Muster befestigt ist, ermöglicht tvird. Auf den Klöppeln 
kleinen Holzstäbchen, iuie Trommelschlägel gestaltet) sind die Fäden 
aufgewunden. Damit letztere sauber und rein bleiben, ist jeder Klöppel 
mit einer Hülse (bem „Tütle") versehen. Beim Klöppeln sind je nach 
dem Muster 30. 40, 50, ja 100 Paare von Klöppeln erforderlich, die 
von den Klöpplerinnen beim Arbeiten mit bewundernswerter Geschick 
lichkeit und Sicherheit geworfen werden. Nur durch Übung von 
Jugend auf erwirbt man sich die dazu erforderliche Fingerfertigkeit. 
An Winterabenden'kommen die Klöpplerinnen zusammen und arbeiten 
gemeinschaftlich bei heiterem Gespräche. Reinlich und sauber sind sie 
selbst, und äußerst nett ihre sonst ärmlichen Stuben. Gering freilich 
ist der Lohn für ihre Arbeit. Während früher der tägliche Verdienst 
1 Mark und darüber betrug, ging er später, als die Maschinenspitzen 
aufkamen, auf 60, 50, ja 30 und 20 Pfennig zurück. Dieser Kon 
knrrenz des Maschinenfabrikats sucht man jetzt durch Herstellung von 
seinen Spitzen zu begegnen. Auch hat sich die Regierung die Hebung 
dieser Industrie durch Errichtung von Klöppelschulen angelegen sein 
lassen. Diese haben sich nicht nur die Ausbildung von Lehrerinnen, 
sondern auch die Aufstellung und Verbreitung besserer Muster zur 
Aufgabe gemacht. Gegenwärtig lohnt die Klöppelarbeit wieder besser. 
Jede Klöpplerin arbeitet für einen besümmten Verleger oder Spitzen 
Herrn, der die Muster den Arbeiterinnen ins Hans schickt und 
später die fertige Waare aufsammeln läßt. An den einzelnen Orten 
werden besondere Arten von Spitzen gefertigt: seidene Spitzen oder 
Blonden in Schwarzenberg, Ober- und Unterwiesenthal, Band- und 
Roßhaarspitzen in Marienberg und Johanngeorgenstadt, Bettspitzen in 
Crottendorf, und Spitzen für Altar- und Kanzelbekleidnng in Anna¬ 
berg. Besonders ist in neuerer Zeit die Herstellung von Haarspitzen 
saus Menschenhaaren) 511 Perückenböden aufgekommen. Man verarbeitet 
dabei 100 Muster von der ganzen Größe des Kopfes bis zn den 
kleinsten Flächen desselben und versendet diese Artikel hauptsächlich 
nach Frankreich und Amerika. 
IV. Seit 300 Jahren wird in Annaberg und Buchholz die 
Posamentenfabrikationch betrieben, die sich von hier aus über 
verschiedene erzgebirgische Städte verbreitet hat. Die Aufgaben dieser 
Industrie bestehen in der Beschaffung dessen, was zum „Säumen, Be¬ 
setzen, Einfassen" dient. Ungefähr 20 000 Personen befassen sich gegen¬ 
wärtig im Erzgebirge mit der Herstellung voll Posanlenten. 
V. In den südlichen Teilen des Vogtlandes hat sich eine Industrie 
entwickelt, die vollständig im Dienste der Musik steht. Hier liegt 
Markneukirchen, das man — weil hier besonders gute Streichinstrumente 
gebaut werden — das „sächsische Cremona" genannt hat. Einen 
zweiten Mittelpunkt dieser Industrie bildet Klingenthal. Was zur Aus¬ 
stattung eines vollständigen Musikchors gehört, das alles lvird in Mark- 
*) Borten- und Tressenarbeiten.
	        
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