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uenkirchen und Umgegend verfertigt. An erster Stelle ist der Geigen
bau zu nennen. Man hat sich dabei die Instrumente der berührn
testen alten Meister zum Muster genommen unb ahmt dieselben in so
geschickter Weise nach, daß sie die Merkmale eines 200 jährigen Alters
tragen. Die Arbeiter, die Nachbildungen (Imitationen) anfertigen,
nehmen beim Geigenbau die höchste Stelle ein. Nach ihnen kommen
die sogenannten „guten Geigenmacher", die ihre Instrumente für
12—18 Mark das Stück an die Händler abgeben. Andere Arbeiter
stellen Mittelsorten (das Stück von 3 Mark an) oder ganz geringe
Sorten her. Im ganzen versendet Markneukirchen in einem Jahre
20000 Violinen verschiedenster Art nach allen Gegenden der Erde.
Eine weitgehende Arbeitsteilung herrscht auch in dieser Industrie und
ermöglicht die niedrigen Preise. Außer dem einheimischen Ahornholz
wird viel fremdes Holz verarbeitet, das inan aus Siebenbürgen und
der Bukowina, aus dem Böhmerwalde (Fichte) und Tirol (Ahorn),
ans dem Kaukasus und Persien (Buchsbaum), ja aus tropischen Erd
gegenden (Ebenholz, Jakaranda) bezieht. Die Pferdehaare für die
Geigenbogen erhält man aus Rußland und den Laplatastaaten. Zn
den Myriaden von Darmsaiten, die in Markneukirchen gefertigt
werden, verwendet man die Därme von Schafen, besonders von Lämmern.
Die meisten dieser Därme bezieht man aus 'dem Innern Rußlands,
wo viele „Darmputzereien" für Markneukirchener Fabrikanten bestehen.
Die gereinigten Därme spaltet man in mehrere Teile und dreht aus
letzteren dann die Saiten zusammen, die noch geschwefelt, mit Bims
stein abgerieben und mit Glanz versehen werden müssen. Vor dem
Verkauf läßt man sie von Sachverständigen prüfen und stempeln. Zur
Herstellung übersponneuer Saiten wird versilberter oder vergoldeter
Kupferdraht oder reiner Silberdraht verwendet. Von den hier an
gefertigten Blasinstrumenten werden die meisten aus Messing herge¬
stellt. Der älteste Artikel Klingenthals ist die Mundharmonika, die in
150 verschiedenen Sorten angefertigt und mit 50 Pfennig bis 120 Mark
das Dutzend verkauft wird. Auch Ziehharmonikas, Konzertinas, Leier
kästen und Spieldosen bringt der genannte Ort in nicht geringer Zahl
in den Handel. Nach Gebauer.
55. Das Meer.
a) Das Meer macht aus jeden Menschen, der es zum erstenmale
sieht, einen überwältigenden Eindruck. Unabsehbar breitet sich die Flut
vor seinen Augen aus. Hoch wölbt sich darüber der Dom des Himmels;
der Abglanz des Unermeßlichen spiegelt sich in den Fluten. Ein frischer
Seewind weht landeinwärts; die Brandung tost. Welle auf Welle
schießt heran. Scharen von Seevögeln umschwärmen das User, auf-
nnd niederschwebend mit den Wellen kosend, ein Abbild der schaukeln¬
den Brandung. Wird der Wind aber zum heulenden Sturme, dann
türmen sich die Wellen zu gewaltiger Höhe aus und drohen das Ufer
zu verschlingen. Balken und Fässer kommen brausend geschwommen,
Trümmer eines gescheiterten Schisses, Zeugen der heißen Todes-