Object: Deutschlands Weltpolitik (Bd. 162)

Gustav F. Steffen: Deutschlands imperialistische Entwicklung. 69 
Mit unbeweglicher Konsequenz hat die geschichtliche 
Entwicklung jene eigentümlichen Übelstände hinsichtlich der 
Grenzverhältnisse auf das jetzige Deutsche Reich übertragen. 
Nichts als eitel „unnatürliche" Landgrenze sowohl im 
Westen wie im Osten! Und die Reichsgrenze nach Osten 
hin ist geradezu unabänderlich „unnatürlich". Die Land¬ 
gebiete der Deutschen und der Slawen sind dort so zerstückelt, 
durcheinander gewürfelt und ineinander geschoben - wo 
beide Völker nicht geradezu auf demselben Gebiete durch¬ 
einander wohnen daß es offensichtlich eine teilweise 
unlösbare Aufgabe ist, dort festzustellen, wo, im Namen 
des Nationalitätsprinzipes, die Reichsgrenze zwischen 
dem Deutschen Reiche und einem slawischen Nachbarstaats 
liegen muß. 
In Österreich-Ungarn liegen ja die entsprechenden Ver¬ 
hältnisse vielerorten auch nicht besser. Und die bloße Tat¬ 
sache, daß Österreichs deutsche Bevölkerung nicht dem neuen 
Deutschen Reiche, sondern einem anderen, nur teilweise 
deutschen Staate angehört, ist ja unter deutschnationalem 
imperialistischen Gesichtspunkte eine Reichsgrenzenfrage 
bedeutungsvollster Art. 
Wenn irgendein Staat eine Irredenta hat, so ist es das 
Deutsche Reich. 
Ich übergehe hier als allgemein bekannt die verhäng¬ 
nisvollen auslands- und innerpolitischen Wirkungen dieser 
unglücklichen geographischen Lage der deutschen Stämme 
auf das mittelalterliche deutsche Imperium und auf seine 
Fortsetzung in neuerer Zeit. Wir gewahren ein Imperium, 
das schließlich nur noch dem Namen nach, zu niemandes 
Frommen, ein Imperium war, dessen oberster monarchischer 
Macht es nie gelang, ihre universale geschichtliche Aufgabe 
einer Überwindung der inneren politischen Zersplitterung 
und Schwäche des Feudalstaates und einer Herstellung des 
nationalen Einheitsstaates auf dem Fundamente einer 
starken Königs- oder Kaisermacht zu erfüllen. Und wir 
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