Full text: Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

Welt. Begründet wurden dieselben durch Alfred Krupp, 
der 1887 starb, und fortgesetzt und bedeutend vermehrt durch 
seinen Sohn. 
Eine Kranken- und Sterbekasse für die Arbeiter wurde schon 
1863 ins Leben gerufen. Infolge des gewaltigen Znsammen- 
strömens von Menschen entstanden in den Werken Wohnungsnot 
und Preissteigerung aller Lebensbedürfnisse. Dem ersteren Übel¬ 
stande wurde durch Erbauung von Arbeiterwohnungen abzuhelfen 
gesucht. Die erste Kolonie entstand 1863. In der Folgezeit sind 
noch mehrere Kolonien erbaut worden, so daß die Firma bis zum 
1. Januar 1906 6227 gute itnb gesunde Familienwohnungen ver¬ 
geben hat. Ihre Inhaber müssen dem Werk mindestens zehn 
Jahre lang angehört haben; die neuen Kolonien werden an 
ältere Arbeiter vergeben. Bezahlt werden für zweiräumige 
Wohnungen, die nur in den älteren Kolonien vorkommen, 90 bis 
108 dt für dreiräumige in den neuen Kolonien 120—220 dt, 
für vierräumige 170—420 dt. Unverträglichkeit, sowie an¬ 
stößiger Lebenswandel werden Anlaß zur Kündigung. Das be¬ 
deutendste Gemeinwesen dieser Art ist Kronenberg mit 1600 Woh¬ 
nungen, in welchen über 8000 Personen wohnen. Aus allen seinen 
kleinen Gärten vor den saubern Häusern, aus allen blitzblanken 
Scheiben desselben spricht zu den Besuchern, daß hier eine Stätte 
glücklichen Lebens ist. Andere größere Ansiedlungen sind Scheder- 
hof, Westend, Baumhof, Alfredshof. Vor mehreren Jahren wurde 
die Kolonie A l t e n h o f gebaut, der Sitz der in den Ruhestand 
übergetretenen Leute und die lieblichste der Schwestern. Man 
muß es an sonnigen Sonntagen sehen, wenn die jüngern Gene¬ 
rationen sich zum Besuch bei Großvater und Großmutter einfinden! 
Doch nicht allen, die gemeinsam durchs Leben gegangen sind, ist 
es vergönnt, auch gemeinsam ihren Lebensabend zu genießen. 
Auch Witwer und Witwen waren zu versorgen. Jedem und jeder 
einzelnen von ihnen eine besondere Haushaltung anzuweisen, wäre 
unpraktisch gewesen. So hat man den alleinstehenden alten 
Männern und Mütterchen je ein gemeinsames Haus, die beiden 
Pfründhäuser, eingerichtet. In ihnen hat jedes sein besonderes 
Stübchen; von den Frauen jede außerdem ihre Küche für sich. 
Ein blankes Messingschild an den Türen „Peter Kunz", „Sophie 
Müller", kündet den Namen der Pensionäre. Die altdeutsch¬ 
niederländisch eingerichtete Diele jeder der zwei Etagen dient deren 
Bewohnern als gemeinsamer Raum, gewissermaßen als Salon, 
in dem man sich meist aufhält, wenn man nicht im Garten ist. 
Wenn wir bei den Herren eintreten, begrüßen uns die frischen 
Klänge des Radetzky-Marsches. Eine Spieluhr, das letzte Weihnachts¬ 
geschenk des verstorbenen Fabrikherrn, gibt sie zum besten. Sie 
steht in der Mitte des mächtigen Eichentisches, über dem die Lampe 
hängt.^ Auf den Bänken längs der Wand sitzen fünf von den 
graubärtigen Etagenherren und rauchen in tadelloser Behaglich¬ 
keit ihren Knaster. Der Sechste blättert am Tisch in dem Sammel-
	        
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