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3. Daß sie dir mit keinem Schlage
von verlornen Stunden sage!
Unersetzlich ist Verlust
des Geschäfts und auch der Lust.
4. Sohn! der Tag hat Stunden viele,
so zur Arbeit wie zum Spiele;
gib das Seine jedem nur,
und du freuest dich der Uhr.
5. Selber hab' ich mit den Stunden
mich soweit nun abgefunden,
daß ich ohne Glockenschlag
sie nach Notdurft ordnen mag.
6. Zähle dn für mich die Stunden!
Und auch jene, die geschwunden,
kehren schöner mir zurück,
wenn du sic dir zählst zum Glück.
F. Rückert,
20. Warum?
Zu Hamburg auf einem Platze standen einmal zwei Arbeiter,
und wer sie sah, dachte an des Herrn Wort: „Um die elfte Stunde
aber ging er aus und fand andere müßig stehen am Markt und sprach
zu ihnen: „Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig?" Sie
sprachen zu ihm: „Es hat uns niemand gedinget." Denn obgleich
der Mesner schon auf dem Wege war, die Mittagsglocke zu ziehen,
so warteten sie doch immer aus den, der da kommen sollte und sagen:
„Gehet mit mir, ich will euch geben, was recht ist."
Und als um zwölf Uhr im Michaelisturme die große Glocke er¬
schallte, zog Karsten, der eine von den zweien, den Hut ab und betete
ein Vaterunser, oder was er sonst in seinem Herzen redete. Denn
seine Lippen regten sich, aber seine Stimme hörte man nicht. Vol-
land aber, der andere' ließ den Hut auf dem Kopfe und sprach:
„Weiß nicht, warum ich mich bemühen soll, wenn die Alte da oben
brummt und summt. Wie leicht fällt ein Ziegel vom Dach und
schlägt dir ein Loch in den Kopf!" Karsten aber antwortete nur:
„Will sehen, Vetter Ehrhard, will sehen " Er hätte auch zu
einer längeren Rede nicht Zeit gehabt. Denn da er das gesagt, trat
ein kleiner, alter Herr zu ihm und sprach: „Gefällt dir's, so komm!
ich will dir Arbeit geben und bezahlen, was recht ist." Karsten ging
freudig mit, und als das alte Herrlein unterwegs zu ihm sagte:
„Aber ich kaun es nicht leiden, daß, die mein Brot essen, fragen:
„warum?" antwortete er: „Euer Wille geschehe. Viel Fragen und
Reden ist das ganze Jahr meine Sache nicht."
Also kamen sie, ohne ein Wort weiter zu verlieren, in die große
Zuckersiederei vor dem Tor. Und als Karsten hinter ihr die
großen Holzstöße sah, wurde er ganz fröhlich in seinem Herzen und
sprach bei sich selbst: Gott sei's gedankt, nun wird es mir nimmer
an Arbeit fehlen!
Da er aber ein Jahr laug und etwas darüber Holz gesägt und
gespalten hatte, sprach der Zuckersieder zu ihm: „Claus, du hast alle
Tage einen weiten Weg abends heim und morgens wieder heraus.
Gefällt's dir, so magst du dort in mein Gartenhaus ziehen und mit
Weib und Kindern drin wohnen umsonst."