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Dannt fielen die mittelalterlichen Ständeunterschiede und die beengenden 
Schranken zwischen Stadt und Land; es bildete sich ein freier Bauern¬ 
stand. Am 27. Juli 1808 verlieh der König allen Insassen auf den Kron- 
gütern ihre Grundstücke als volles, freies Erbeigentum. Durch diese großmütige 
That schuf er in dem eigentlichen Preußen auf einem Gebiet von 10 725 qkm 
47 000 freie Bauernhofsbesitzer. 
Um die Kriegskosten rascher zu zahlen und der französischen Besatzung 
im Lande ledig zu werden, entschloß sich der König auf Steins Rat zum 
Verkauf vieler Güter; und so entstanden wieder eine Menge neuer und 
freier Hofbesitzer. Dennoch bedurfte es noch schwerer diplomatischer Arbeit, 
um den äußeren Feind los zu werden und den inneren Feinden die Spitze 
zu bieten, die, über Steins umwälzende Neuerungen murrend, sich wieder an 
den König drängten. Stein ermüdete nicht. Er schritt kühn weiter in 
seinen Umgestaltungen. Dazu gehörte nun weiter die Umbildung der Ministerien, 
welche Einheit und Kraft in die oberste Leitung brachte, die Geschäfte ver- 
einfachte, die oft willkürliche Kabinettsregierung beseitigte, und die Trennung der 
Rechtspflege von der Verwaltung zur Durchführung brachte. Die Ein¬ 
richtung eines Staatsrates und die Einführung einer reichsstäudischen Verfassung 
wußte die Hofpartei nach Steins Abgang freilich zu hintertreiben, aber auch 
so war die Umbildung der Verwaltung noch ein bedeutender Fortschritt von 
dem unumschränkten lehnsrechtlichen Staat zum Rechtsstaate. 
Ein anderes großes Werk durfte Stein dagegen ganz vollenden, die 
Schöpfung eines freien Städtebürgertnms. Am 19. November 1808 
erschien die neue „Städteordnung". Derselben gemäß wurde in allen 
Städten die Selbstverwaltung ein- und durchgeführt. Dieselbe geschah 
durch den Magistrat und durch die von den Bürgern gewählte Versammlung 
der Stadtverordneten. Jedem Unbescholtenen, der sich in der Stadt nieder¬ 
gelassen, stand das Bürgerrecht offen. Die städtischen Lasten mußten von 
allen Bürgern ohne Ausnahme nach Verhältnis ihrer Kräfte getragen 
und öffentliche Stadtämter von einem jeden übernommen werden; wer die¬ 
selben ablehnte, verlor sein Stimmrecht und wurde stärker besteuert. Die 
Stadtverordneten vertraten die ganze Stadt und wurden durch die Wahl aller 
stimmfähigen Bürger bestellt. Sie besorgten sämtliche Gemeindeangelegenheiten 
und verteilten die Leistungen und Lasten auf die Bürgerschaft. Das, Gesetz 
und ihre Wahl war ihre Vollmacht, ihre Überzeugung und ihre Ansicht vom 
gemeinen Besten der Stadt ihre Dienstvorschrift, ihr Gewissen aber die einzige 
Behörde, der sie Rechenschaft zu geben hatten. Ihr Amt war ein Ehrenamt 
und mußte unentgeltlich vertvaltet werden. Der Magistrat war die aus¬ 
führende Behörde, der Staat behielt sich nur die Oberaufsicht vor. 
Andere Verordnungen beseitigten die Fesseln, die den freien Verkehr, die 
Bewegung des Gewerbes hemmten, besonders manchen Zunftzwang: doch 
erfolgte die Einführung der Gewerbefreiheit erst unter dem Staats¬ 
kanzler Hardenberg am 2. Oktober 1810. 
Als das beste Förderungsmittel zur Weckung und Belebung eines 
frischen und thatkräftigen Nationalgeistes betrachtete Stein die Beteiligung der 
Bevölkerung an den inneren Angelegenheiten des Staates. Deshalb verlangte 
er eine allgemeine Volksvertretung mit dem Recht der Gesetzgebung, 
Steuerbewilligung, Prüfung des Staatshaushaltes u. s. w. Die zum Teil 
noch bestehenden Provinzial stände sollten zeitgemäß umgebildet werden; 
diese sollten über innere Verwaltungsfragen der Provinz beraten und beschließen.
	        
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