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wissen," sagte ein Freund, warum du gerade diesen Knaben, der doch keinen 
einzigen Empfehlungsbrief hatte, bevorzugtest?" — „Du irrst", lautete die 
Antwort; „dieser Knabe hat viele Empfehlungen. Er putzte seine Füße ab, 
ehe er ins Zinuner trat, und machte die Thür zu; er ist daher sorgfältig. 
Er gab ohne Besinnen feinen Stuhl jenem alten lahmen Manne, was seine 
Herzensgüte und Aufmerksamkeit zeigt. Er nahm seine Mütze ab, als er 
herein kam, und antwortete auf meine Frage schnell und sicher; er ist also 
höflich und hat Lebensart. Er hob das Buch auf, welches ich absichtlich auf 
den Boden gelegt hatte, während alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder 
darüber stolperten. Er wartete ruhig und drängte sich nicht heran, — ein 
gutes Zeugnis für sein anständiges Benehmen. Ich bemerkte ferner, daß 
sein Rock gut ausgebürstet und seine Hände und sein Gesicht rein waren. 
Nennst du dies alles keinen Empfehlungsbrief? Ich gebe mehr darauf, was 
ich von einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang gesehen, 
als auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen geschrieben steht." 
Magdcb. Ztg. 
13. 1-6i' Eintritt in das Geschäft. 
Anton trat mit klopfendem Herzen in den Hausflur und lockerte den 
Brief seines Vaters in der Brusttasche. Er war sehr kleinmütig geworden, 
und sein Kopf war so schwer, dass er sich am liebsten einen Augenblick 
hingesetzt hätte, um auszuruhen. Aber wie Ruhe sah es in dem Hause 
nicht aus. Vor der Thür stand ein grosser Frachtwagen, in dem Hause 
standen mächtige Fässer und Ballen, und riesengrosse, breitschultrige Männer 
mit Lederschürzen und kurzen Haken im Gürtel trugen Leiterbäume, klirrten 
mit Ketten, rollten die Fässer und schnürten dicke Stricke durch künst¬ 
liche Knoten zusammen. Dazwischen eilten Handlungsgehülfen, die Feder 
hinter dem Ohr, Papier in der Hand, ab und zu, und Fuhrleute in blauen 
Kitteln nahmen die Papiere, die Ballen und die Fässer in Empfang mit 
der geschäftlichen Würde, welche die Thätigkeit aller verantwortlichen 
Menschen zu bezeichnen pflegt. Hier war kein Ort der Ruhe, Anton 
stiefs an einen Ballen, fiel beinahe über einen Hebebaum und wurde durch 
das „Vorgesehen!“, welches ihm zwei Männer mit Lederschürzen zuriefen, 
noch mit Mühe vor dem Schicksale bewahrt, unter einer grossen Öltonne 
plattgedrückt zu werden. 
Im Mittelpunkte der Bewegung, gleichsam als Sonne, um welche sich 
die Fässer, die Arbeiter und Fuhrleute herumdrehten, stand ein junger 
Herr aus dem Geschäft, ein Herr mit entschlossener Miene und kurzen 
Worten, welcher als Zeichen seiner Herrschaft einen grossen schwarzen 
Pinsel in der Hand hielt, mit dem er bald riesige Hieroglyphen auf die 
Ballen malte, bald den Aufladern ihre Bewegungen vorschrieb. Diesen 
Herrn fragte Anton mit klangloser Stimme nach dem Herrn des Geschäfts 
und wurde durch eine kurze Bewegung des Pinselstiels in den hinteren 
Teil des Hausflurs nach dem Kontor gewiesen. Zögernd trat Anton an 
die Thür, es kostete ihn einen grossen Entschluss, den Griff mit der Hand 
zu drehen, und als die Thür geräuschlos aufging und er in das Dämmer¬ 
licht der grossen Arbeitsstube sah, da wurde ihm so angst, dass er kaum 
über die Schwelle schreiten konnte. Sein Eintritt machte wenig Aussehen. 
Ein halbes Dutzend Schreiber fuhren hastig mit den Federn über die 
blauen Briefbogen, um noch die letzten Züge vor dem Schlüsse des Geschäfts
	        
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