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ein Pendel hin und her zwischen Glas und Siegellack springt, bis sich die
Elektricität aus beiden verloren hat.
Woher dieses sonderbare Benehmen?
Man versucht diese Erscheinungen auf folgende Art zu erklären:
In allen Dingen, die wir sehen, giebt es einen unsichtbaren und unsern
Sinnen völlig verborgenen äußerst feinen Stoff, oder wie man es gewöhnlich
nennt, ein Fluidum, welches aus zwei verschiedenen Bestandteilen besteht. Ob
dieses Fluidum in den Atomen der Dinge liegt oder zwischen den Atomen
gelagert ist, das ist unbekannt. So lange dieses Fluidum nicht in seine zwei
verschiedenen Bestandteile getrennt ist, giebt es sich nicht weiter kund. Durch
Reiben jedoch kann man aus gewissen Körpern das elektrische Fluidum trennen,
so daß das Reibzeug die eine Art der Elektricität in sich aufnimmt, während
im geriebenen Körper die andere Art Elektricität sich ansammelt. Und in
solcher Weise werden die Körper sichtbar elektrisch, d. h. die getrennte
Elektricität bringt gewisse elektrische Erscheinungen hervor.
Reibt man nun Glas mit Seide, so entsteht im Glase eine Trennung
des Fluidums der Elektricität, d. h. es trennt sich dieses Fluidum in seine
zwei Bestandteile. Die eine Art Elektricität bleibt am Glase, die andere
häuft sich im Reibzeug, in der Seide an. Ein Gleiches geschieht beim
Reiben der Siegellackstange, nur mit dem Unterschiede, daß die Elektricität,
welche am Glase bleibt, von anderer Art ist als die, welche an der Siegel¬
lackstange hervorgerufen wird.
Da man das innerste Wesen, die Natur der zwei verschiedenen Elektri¬
zitäten, nicht weiter kennt, so hat man zum Unterschied derselben die eine
die Glas-Elektricität oder die positive Elektricität und die andere die Harz-
Elektricität oder die negative Elektricität genannt.
Die zahlreichsten Beobachtungen haben nun von dem Verhalten beider
Elektricitäten folgendes ergeben:
Wenn zwei Körper mit gleicher Elektricität erfüllt sind, so stoßen sie sich
ab. Die positive stößt die positive, die negative die negative Elektricität ab.
Wenn jedoch ein Körper mit positiver, der andere mit negativer Elektricität
versehen ist, so ziehen sie sich an.
d. Leitung der Elektricität.
Durch unzählige Versuche bestätigt es sich, daß es gewiffe Körper giebt,
welche die Elektricität, die sie in sich aufnehmen, mit ungeheurer Geschwindig¬
keit weiter fortführen. Andere Körper wieder sind nicht imstande, dies
zu thun, sondern die Elektricität, die auf ihnen erzeugt wird, oder die sie
aufnehmen, bleibt an der Stelle sitzen, wo sie einmal vorhanden ist. Man
nennt die Körper, welche die Elektricität schnell fortführen, gute Leiter
der Elektricität, denn sie leiten die Elektricität, die sie erhalten, schnell
ab; diejenigen Körper, welche diese Eigenschaft nicht besitzen, nennt man
schlechte Leiter oder Isolatoren, weil sie die Elektricität absperren und
nicht weiter wandern lassen.
Die trockene Luft ist ein schlechter Leiter. Wenn man daher einen Glas-
Cylinder durch Reiben elektrisch macht, so wird zwar die dünne Luftschicht,
die auf den: Cylinder ist, auch elektrisch; allein diese Luftschicht leitet die
Elektricität nicht fort, und der Cylinder behält seine Elektricität. Ist man
über in einem Zimmer, wo die Luft feucht ist, so gelingen alle bisher an¬
geführten Versuche nicht. Der Cylinder wird zwar elektrisch, aber die feuchte