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und den aufgetürmten Warenballen. Wer dergleichen noch nicht
gesehen, kann sich kaum eine Vorstellung davon machen.
Ähnlich, nur minder groß, ist Bremen an der Weser, mit
156,000 größtenteils evangelischen Einwohnern. Für den Ver¬
kehr mit Amerika ist Bremen noch bedeutender als Hamburg.
Zahllose Auswanderer aus Deutschland nehmen dorthin ihren
Weg, um auf dem Verdeck eines vollgepfropften Schiffes ihr Vater¬
land zu verlassen und in einem fremden Lande ihr Glück zu ver¬
suchen. Auch in Zucker, besonders aber in Tabaksblättern machen
die Bremer Kaufleute große Geschäfte. Die Cigarrenfabriken sind
berühmt. Als Merkwürdigkeit gilt der Rathskeller in Bremen
mit seinen zwölf Stückfüssern 200jährigen Rheinweins, wovon
natürlich nur selten Gebrauch gemacht wird. Daß sich in Bremen
aber auch andere Dinge gut aufbewahren, beweist der Bleikeller
unter der Hauptkirche. In diesem haben sich ohne besonderes
Zuthun eine Anzahl Leichname unverwest und ganz frisch erhalten.
Auf dem Gesichte eines Dachdeckers, der während seiner Arbeit
herabstürzte, drückt sich noch jetzt die Todesangst aus.
28. Der preussische Staat.
Lage und Größe. Das Königreich Preußen ist der mäch¬
tigste deutsche Staat. Es liegt fast in der Mitte Europas und
umfaßt den größten Teil Norddeutschlands. Preußen umfaßt
mit den Erwerbungen des Jahres 1866 6390 iHMeilen mit über
27 Millionen Einwohnern. Von dem äußersten östlichen Ende an
der russischen Grenze bis zum äußersten westlichen an der hollän¬
dischen und belgischen Grenze, dehnt es sich etwa 180 Meilen
aus. Obgleich es an Flächeninhalt die achte, an Einwohnerzahl
die sechste Stelle unter den Staaten Europas einnimmt, so ist es
an Bedeutung doch eine der Hauptmächte, eine Großmacht. Es
verdankt diese Stellung hauptsächlich seinen vorzüglichen Heeres¬
einrichtungen, der begeisterten Vaterlandsliebe seiner Bürger, seiner
umsichtigen und kräftigen Regierung und der Thätigkeit und Wohl¬
habenheit des größten Teiles seiner Bewohner.
Bodengestalt. Der größte Theil der preußischen Monarchie
liegt in der norddeutschen Tiefebene; der Süden ist gebirgig.
Dort befinden sich die Sudeten, das höchste Gebirge Preußens,
Zweige des Thüringer Waldes, der Harz, Teile vom Rhöngebirge
und vom Vvgelsgcbirge, das Wesergebirge und das rheinische
Bergland. Was das Bergland schmückt, nämlich die in die Wolken
ragenden bewaldeten Höhen, die anmutigen Hügel und die reichen
Thäler, von Bächen und Flüssen durchrauscht, wellige Getreide¬
felder neben frischem Wiesengrün und vor allem die reine Berg¬
luft, das fehlt dem Tieflande zumeist; selbst die Flüsse schleichen
geräuschlos zwischen ihren Ufern hin. Doch finden sich auch im
Tieflande hier und da große Waldungen, und an den Flüssen