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Statten wir nun selbst der Arbetterstadt einen Besuch ab! In der
Nähe des Rhein-Nhonc-Kanals, zwischen dem alten Mülhausen und
Darnach, breitet sie sich aus. Schnurgerade Straßen, in doppelter Reihe
mit prächtigen Lindenbäumen bepflanzt, durchschneiden sie. Zu beiden
Seiten liegen inmitten reichem Grün von Baumgruppcn und Gärten
schmucke, kleine Häuser. Es ist eine eigenartige Verschmelzung von Stadt
und Land, diese merkwürdige Arbeiterstadt, und ihr Anblick wahrhaft herz¬
erquickend nach dem Eindruck, den die Fabriken mit ihrem Maschinen¬
getöse und die meist engen, düstern Gassen des eigentlichen Mülhausen
auf uns machen.
Die Arbeiterstadt gliedert sich in die sog. „alte" und in die „neue"
Stadt. Im erstgenannten Teile sind die einzelnen einstöckigen Häuser in
Gruppen von 10—20 unter einem langen Dache zu ausgedehnten Straßen¬
zeilen vereinigt. Die „neue" Stadt dagegen enthält immer nur 4, teils
blos mit Erdgeschoß, teils mit einem obern Stockwerk versehene Häuser
unter dem gleichen Dache, und zwar inmitten eines für die verschiedenen
Bewohner in einzelne Abschnitte gegliederten Gartens liegend. Jedes ein¬
zelne Gärtchen hat ein kleines Gartenhaus oder eine Lande und bringt
dem Besitzer an Gemüse und Obst jährlich 30 bis 40 Jt ein. Ja, manche
Arbeiterfrauen, die sich der Bebauung ihrer Gartenflecke mit besonderem
Eifer und Geschick annehmen, treiben mit den Erzeugnissen derselben einen
kleinen Handel.
Diese kleinen Güter sind zum weitaus größten Teile Eigentum ihrer
Bewohner. Die Zahlungsbedingungen sind sehr günstig und bestehn in
mäßigen monatlichen Abzahlungen, die sich auf eine lange Frist verteilen.
Sollte der Arbeiter sterben, bevor es ihm möglich ist, die sämtlichen Teil¬
zahlungen zu leisten, oder sich anderswo niederzulassen wünschen, so betrachtet
die Gesellschaft den Käufer einfach als Mieter und gibt ihm oder seiner
Familie den Überschuß aller seiner Einzahlungen nebst Zinsen zurück. Die
durch die Arbeiter mittels kleiner Teilzahlungen erworbenen Wohnungen
stellen ein Ersparnis von mindestens 4 Millionen dar! Gewiß, kein
schlechtes Zeugnis für den Sparsinn dieser braven Arbeiter!
Um die Arbeiterklasse noch mehr zur Sparsamkeit anzuregen und ihr
den Erwerb eines Eigentums zu erleichtern, hat die Hochherzigkeit eines
Mülhauser Bürgers eine schöne Stiftung ins Leben gerufen. 1885 stellte
der ehemalige Notar Salathe der industriellen Gesellschaft eine Jahrsrente
von 960 A zur Verfügung mit der Bestimmung, diese Summe alljährlich
in 3 gleichen Teilen an sparsame, würdige Arbeiter zu vergeben als Bei¬
hilfe zum Erwerb eines eigenen Heims. Die Verteilung geschieht nach
gewissen Bedingungen durch eine Kommission, bestehend aus dem jeweiligen
Präsidenten der industriellen Gesellschaft, 5 Mitgliedern derselben und 5 Werk-
Mrern oder Arbeitern.
Diesem Werk edler Menschenfreundlichkeit reiht sich würdig die ..Lalancc-