313
kleinen Städten innerhalb ihrer eignen Räumlichkeiten während der Zeit,
die der Betrieb der Landwirtschaft nicht in Anspruch nimmt, gewerblich
tätig. Nicht wenige haben auch die frühere Nebenbeschäftigung zum Haupt¬
gewerbe erhoben. Ebenso kam es häufig vor, daß Fabrikanten Arbeit außer
der Fabrik vergaben und so eine Hausindustrie schufen.
Das Hausgewerbe wird teils in der Wohnung, teils in besondern
Werkstätten von den Familienangehörigen betrieben, selten jedoch mit Hilfe
fremder Kräfte. In der Regel werden eigne Werkzeuge und Geräte benützt,
vereinzelt find dieselben auch gemietet. Die Rohstoffe liefert öfters ein
Unternehmer, welcher entweder auf eigne Rechnung arbeiten läßt oder den
Verkehr zwischen dem eigentlichen Arbeitgeber und dem Hausgewerbetreibenden
vermittelt. Die Erzeugnisse dienen ausschließlich dem Massenverbrauch.
Es gibt eine sehr große Anzahl von Gewerben, die in dieser Weise be¬
trieben werden. In jedem gewerblichen Berufe, der keine teuern Maschinen
verlangt, ist Hausindustrie möglich. Als solche kommt im Ncichslande
insbesondere in Betracht: die Spinnerei und Weberei im größten
Teile des Unterelmß, im Markircher Tal und in den lothringischen Kreisen
Bolchen, Saarbnrg und Metz; die Häkelei und Stickerei im Breuschtal
und im Kreise Saarbnrg; die Strickerei und Wirkerei in den Kreisen
Erstein,Molsheim,Schlettstndt und Zabern; die Perlenstickerei und Perlen¬
kranzherstellung in den Kreisen Zabern, Saarburg und ChLteau-Salins;
die Handschuhstrickerei und Haarnetzflechterei in den vorstehend
genannten Kreisen, überdies in Hagenau, Straßburg-Land und Schlcttstadt;
die Stroh- und Holzflechterei in den meisten Kreisen des Unterelsaß
und Lothringens; die Holzwarenfabrikntion in den meisten Vogesen¬
tälern und in etlichen Teilen Lothringens; die Glasschleiferei im
Bitscherlande; überdies die Näherei, Schneiderei und Schusterei ver¬
einzelt im ganzen Lande.
Die Hausindustrie hat große Vorzüge. Vater, Mutter und Kinder ar¬
beiten gemeinschaftlich an demselben Werke und sind infolgedessen während
der ganzen Arbeitszeit beieinander, wodurch das Leben innerhalb der Fa¬
milie sehr gefördert wird. Die Kinder sind unter beständiger Aufsicht und
werden zur Arbeitsamkeit von frühster Jugend an erzogen. Die Frauen
können selbst für ihren Haushalt sorgen. Dem Arbeiter ist es möglich, nack-
eignem Ermessen die Dauer seiner Arbeitszeit zu bestimmen und einen
wohltuenden Wechsel innerhalb derselben eintreten zu lassen.
Der Mann der Hausindustrie klebt an der Scholle. Die von Kindheit
an geübte Beschäftigung wühlt der heranwachsende Mensch häufig für sich.
Selbst die bittere Not kaun ihn selten bestimmen, zu einem andern Berufe
über zu gehn. Er hungert, wenn es wenig zu verdienen gibt, und ist lustig
und guter Dinge, wenn der Lohn reichlich ausfällt. Immer aber bleibt er
bei seiner zwanglosen Arbeit, sofern ihm dies auch nur einigermaßen mög.
lich ist. Leider verfällt der Hausgewerbetreibende oft der Ausbeutung durch