Full text: Klasse 5 (sechstes Schuljahr) (Teil 5, [Schülerband])

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sobald sie das geringste Verdächtige bemerkten. Bei Sonnenaufgang 
sollten sich alle wieder vor der Kirche einfinden und die Patronen vor¬ 
zeigen. So sollte es jeden Abend und jeden Morgen geschehen, damit 
man sie kontrollieren konnte. 
Nun war getan, was die Vernunft uns eingab und was in unsern 
Kräften stand. Jetzt kam der unangenehmere Teil, das Stillsitzen und 
Abwarten. 
Schon längst war die Dunkelheit hereingebrochen. Ich brachte mein 
Söhnchen zum Schlafen, im innersten Herzen zweifelnd, ob ihm noch 
ein Erwachen beschieden sei. Dann ging ich noch einmal nach unserm 
Hause, ich wollte Abschied nehmen. Wir hatten es ja mit größter Mühe 
selbst gebaut. Alle Sachen, die mir so lieb waren, die an die ferne 
deutsche Heimat erinnerten, wollte ich gern noch einmal sehen. 
An den Wänden im Eßzimmer hingen Bretter mit Gläsern aller 
Art. Einige davon, blaugrüne Römer, sind schon seit über hundert 
Jahre im Besitz unserer Familie. Wieviel frohe Tage halten sie ge¬ 
sehen, als sie noch die Tafel unserer Vorväter in Guten-Paaren zierten! 
Mir wurde ganz weich ums Herz. Sollte all dies geplündert und ver¬ 
nichtet werden von den rohen Horden beim Sonnenaufgang? Ein Glas 
nahm ich mir zum Andenken. 
Ich schloß die Tür hinter mir ab, besuchte den Hühnerstall und 
das ruhende Vieh im Dornenkral, das ich seinem Schicksal überlassen 
mußte. Einen letzten Strauß pflückte ich mir aus unserm, ach! mit 
solcher Liebe gepflegten Garten und schritt weiter ins Dunkle hinaus. 
Mild war die afrikanische Nacht. Über dem Okombaheberg erglänzte 
matt des Mondes Silberhorn. Was barg der nächste Tag für uns? 
Die Mitternacht kam schnell. Überhaupt, wie schnell die Zeit ver¬ 
geht, wenn man abgeschlossen hat mit dem Leben! Wie die Stunden 
flogen! Mitunter rührten sich die drei Kinder in dem kleinen Zimmer. 
Frau Merker lag schluchzend und betend auf der harten Matratze. Ich 
bat sie, sich doch um des Kindes willen, das sie stillte, zur Ruhe zu 
zwingen. Dann ward es wieder still im Zimmer. Es kam kein Schlaf 
in unsere Augen. Man hat so viel zu denken in der Nacht, die viel¬ 
leicht die letzte ist! Wir sorgten uns beide so sehr um unsere Männer, 
deren Schicksal uns unbekannt. Waren sie tot? Lebten sie noch? Wo? 
Wie? Lagen sie verwundet und hilflos irgendwo im Busch? 
Um Mitternacht setzte ein schwerer Regen ein. Wie eine gewaltige, 
schwarze Masse lag das Firmament. Dann plötzlich regnete es, erst
	        
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