Full text: Lesebuch für Oberklassen

415 
Das gewonnene Eisenerz wird in die Täler gefahren. Dort 
erheben sich mächtige Hochöfen, Hammer-, Walz- und Stahl¬ 
werke, welche bei Tag die ganze Gegend in dichten Rauch hüllen, 
bei Nacht den Himmel weithin röten und beständig ein Getöse 
verursachen, welches man aus großer Entfernung schon hört. 
In den Hochöfen wird das Eisen aus den Erzen geschmolzen 
und in den Hammer- und Walzwerken weiter verarbeitet. Die 
bedeutendsten Orte der lothringischen Eisenindustrie sind Mai- 
zieres, Hagendingen, Ückingen und Diedenhofen im Moseltale, 
Rombach und Groß-Moyeuvre im Tale der Orne, Fentsch, 
Algringen, Hayingen und Kneuttingen im Tale der Fentsch, 
Deutsch-Oth, Öttingen und Redingen im Gebiete der Alzette. 
109. Die Gewinnung des Roheisens. 
Unter den zahlreichen Eisenwerken Westlothringens sind die 
Hochöfen die großartigsten. Schon aus weiter Ferne bemerkt 
man die hohen Schornsteine, aus welchen schwarze Rauchwolken, 
zuweilen sogar Flammen emporsteigen. Hier wird das Roheisen 
gewonnen. 
Die Eisenerze sind schon in den Erzgruben zerkleinert worden. 
Sie sollen im Hochofen geschmolzen werden. Steine schmelzen? 
Ist das möglich? Ja, es ist möglich; der Riese dort vor uns, der 
Hochofen, der alle Dächer überragt, besorgt es. Es ist ein Stein¬ 
koloß von 30 m Höhe, das Mauerwerk rundum über 1 m dick, 
feuerfest in allen Teilen, im leeren Zustande von oben wie ein 
tiefer Brunnen anzuschauen, der sich in der Mitte erweitert. 
Er ist oben geschlossen. Nur beim Auffüllen wird er geöffnet. 
Durch Hebewerke wird sein gewaltiger Schlund von oben in 
regelmäßigen Zwischenräumen mit einer Schicht Koks und einer 
Schicht Eisenerz, der sogenannten Minette, gefüllt. In Lothringen 
werden Schichten von Kalk nicht hinzugefügt, wie es anderswo 
zur Beförderung des Schmelzens geschieht, weil die Minette von 
Natur aus Kalkgestein enthält, ein Vorteil für die lothringische 
Eisenindustrie. Die Koks geben das Feuer; sie entzünden sich 
rasch zu gewaltiger Glut. Mächtige Gebläse, von Dampfmaschinen 
getrieben, jagen beständig Luft in den untern Teil des Ofens, 
um die Glut zu unterhalten und zu steigern. Die Hitze steigt all¬ 
mählich höher und höher, bis 2000 Grad und darüber. 2000 Grad 
Hitze! Da widerstehe, was kann! Die eingeschütteten Massen 
widerstehen auch nicht, sondern beginnen nach etwa 12stündiger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.