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Anfang eines neuen Gewerbes dafür einzutauschen. Tief¬
sinnig wie ein Kaufmann, dessen Schiff der gefräßige
Ocean mit Mann und Maus verschlungen hat, ging er
das Gebirg hinab, schlug sich mit tausend schwermüthigen
Gedanken, machte zwischenein dennoch allerlei Spe¬
kulationen, wie er den Schaden ersetzen und seinem Han¬
del wieder aufhelfen könne. Da fielen ihm die Ziegen
ein, die seine Frau im Stalle hatte; doch sie lieble sie
schier wie ihre Kinder, und im Guten, wußt' er, waren
sie ihr nicht abzugewinnen. Darum erdacht' er diesen
Kniff: sich seinen Verlust gar nicht daheim merken zu
lassen, auch nicht bei Tage in seine Wohnung zurückzu¬
kehren, sondern um Mitternacht sich ins Haus zu stehlen,
die Ziegen nach Schmiedeberg auf den Markt zu treiben
und das daraus gelöste Geld zum Ankauf neuer Waare
zu verwenden, bei seiner Zurückkunft aber mit seinem
Weibe zu hadern und sich bärbeißig zu stellen, als habe
sie durch Unachtsamkeit das Vieh in seiner Abwesenheit
stehlen lassen.
Mit diesem wohlersonnenen Vorhaben schlich der un¬
glückliche Mann nahe beirrt Dorfe in einen Busch und er¬
wartete mit sehnlichem Verlangen die Mitternachtsstunde,
um sich selbst zu bestehlen. Mit dem Schlag zwölfe macht'
er sich auf den Diebsweg, kletterte über die niedrige Hof¬
thür, öffnete sie von innen und schlich mit Herzklopfen
zum Ziegenstalle; er hatte doch Scheu und Furcht vor
seinem Weibe, auf einer ungerechten That sich erfinden zu
lassen. Wider Gewohnheit war der Stall unverschlossen,
was ihn Wunder nahm, ob's ihn gleich freute; denn er
fand in dieser Fahrlässigkeit einen Schein Rechtens, sein
Vorhaben damit zu beschönigen. Aber im Stalle fand er
Alles öd und wüste, da war nichts, was Leben und Odem
hatte, weder Ziege noch Böcklein. Im ersten Schrecken
vermeint' er, es habe ihm bereits ein Diebsgenosse vorge¬
griffen, dem das Stehlen geläufiger sei als ihm: denn
Unglück kommt selten allein. Bestürzt sank er auf die
Streu und überließ sich, da ihm auch der letzte Versuch,
seinen Handel wieder in Gang zu bringen, mißlungen war,
einer dumpfen Traurigkeit.
Seitdem die geschäftige Ilse vom Pfarrer wieder
zurück war, hatte sie mit frohem Muthe Alles fleißig
zugeschickt, ihren Mann mit einer guten Mahlzeit zu
empfangen, wozu sie den Geistlichen auch eingeladen
hatte, welcher verhieß, ein Kännlein Speisewein mitzu-