Full text: Thüringisches Lesebuch für die oberen Klassen der Volksschulen

13 
3. Der arme kleine Bergmannsknabe. 
Johann Gottlob Anger war zu Ober-S. bei S., im 
sächsischen Erzgebirge, im Jahre 1768 geboren. Er war 
der jüngste Sohn einer herzlich guten, aber armen Berg¬ 
manns-Familie. Als in den Jahren 1771 und 1772 die 
Theuerung und der Mangel, besonders in dem armen 
sächsischen Erzgebirge, sehr groß war, reichte das, was seine 
Eltern durch ihre Arbeit verdienten, nicht mehr hin, um 
sie uud ihre vielen Kinder zu sättigen. Wie damals in 
vielen tausend armen Hütten, legten sich auch in der 
armen Hütte der guten, stillen Bergmanns-Familie Eltern 
und Kinder an den meisten Abenden hungernd und nach 
Brode weinend, und doch auch immer wieder gestärkt und 
aufrecht erhalten durchs gemeinschaftliche Gebet und Ver¬ 
trauen zu Gott, auf ihr armes Lager. Die Noth gab 
damals den armen Menschen gar viele vorher nie ver¬ 
suchte Mittel, sich zu sättigen, an die Hand, wovon manche 
wohl sehr traurig waren. Einige buken sich eine Speise 
aus Kartoffelschalen und andern als unbrauchbar für 
die Küche weggeworfenen Abgängen, die sie vor den Häu¬ 
sern der etwas wohlhabenderen Bauern und Bürger aus 
dem Staube auflasen; andere suchten wohl, so lange sie 
noch Kräfte zum Gehen oder auch nur Fortkriechen hatten, 
ihre Speise an noch traurigern Orten. Jemehr die 
Theuerung zunahm, desto seltener wurde auch die Ge¬ 
legenheit, etwas zu verdienen, denn in einigen Gegenden 
wollten die meisten Bauern und Bürger keine Tag¬ 
löhner und Handarbeiter mehr dingen, weil sie nicht im 
Stande waren, ihnen Brod zu geben. 
Der Winter von 1770 auf 71 war wohl recht jam¬ 
mervoll. Die Noth nahm immer zu, überall wo man 
hinsähe, traurige, bleiche Gesichter, die einander gegen¬ 
seitig den Muth nur noch mehr benahmen, statt zu 
stärken; auf der Gasse sah man abgezehrte oder auch 
krankhaft geschwollene, hungernde Kinder, die nicht, wie 
sonst, muthig kindlich herumliefen, sondern schlichen und 
ganz stille waren; dazu war auch in dem traurigen 
Winter der Himmel fast immer trübe und neblig, eine 
fast beständige feuchte Kälte. Am Abend brannte wohl 
in den Oefen der armen Hütten das Feuer, wie sonst, 
aber es war nichts, gar nichts da, was die Mutter an's 
Feuer setzen konnte; die kleinen Kinder zogen den Tisch¬ 
kasten heraus, wo sonst in besseren Zeiten das übrig
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.