Object: [Teil 7 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.]] (Teil 7 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.])

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15. Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, 
ihn jagen der Sorgen Qualen; 
da schimmern in Abendrots Strahlen 
von ferne die Zinnen von Syrakus, 
und entgegen kommt ihm Philostratus, 
des Hauses redlicher Hüter; 
der erkennt entsetzt den Gebieter: 
16. „Zurück! du rettest den Freund nicht mehr; 
so rette das eigne Leben! 
Den Tod erleidet er eben. 
Von Stunde zu Stunde gewartet' er 
mit hoffender Seele der Wiederkehr; 
ihm konnte den mutigen Glauben 
der Hohn des Tyrannen nicht rauben." 
17. „Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht 
ein Retter willkommen erscheinen, 
so soll mich der Tod ihm vereinen. 
Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, 
daß derFreund demFreunde gebrochen diePflicht; 
er schlachte der Opfer zweie 
und glaube an Liebe und Treue!" 
18. Und die Sonne geht unter; dasteht er am Thor 
und sieht das Kreuz schon erhöhet, 
das die Menge gaffend umstehet. 
An dem Seile schon zieht man den Freund empor; 
da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: 
„Mich, Henker", ruft er, „erwürget! 
Da bin ich, für den er gebürget!" 
19. Und Erstaunen ergreift das Volk umher; 
in den Armen liegen sich beide 
und weinen vor Schmerzen und Freude. 
Da sieht man kein Auge thränenleer, 
und zum Könige bringt man die Wundermär; 
der fühlt ein menschliches Rühren, 
läßt schnell vor den Thron sie führen — 
20. und blicket sie lange verwundert an. 
Drauf spricht er: „Es ist euch gelungeu, 
ihr habt das Herz mir bezwungen. 
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn; 
so nehmet auch mich zum Genossen an! 
Ich sei, gewährt mir die Bitte, 
in eurem Bunde der dritte." 
Fr. d). Schiller. 
36. Der kleine Friedensbote. 
Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe 
und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein 
Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der 
Bäcker in seinem großen Obstgarten an die Stelle eines ausgedienten 
Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne Baum¬ 
schule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte, eine Pflaume 
oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je nachdem er aus 
diesen oder jenen Posten, auf einen fetten oder magern Platz gestellt werden 
sollte. An Ostern, an Martini und am heiligen Abend kam die Bäckerin, 
welche keine Kinder hatte, immer einen großen Korb unter dem Arme, zu 
den Nachbarsleuten hinüber und teilte unter die kleinen Paten aus, was 
ihr der Hase oder der gute Märtel oder gar das Christkindlein selbst unter 
die schneeweiße Serviette gelegt hatten. Je mehr sich die Kindlein über 
die reichen Spenden freuten, desto näher rückten sich die Herzen der beiden 
Weiber, und man brauchte keine Zigeunerin zu sein, um aus dem Kaffeesatze 
in ihren Schalen zu prophezeien, daß sie einander immer gut bleiben würden. 
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber als 
Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker einen kleinen,
	        
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