Full text: Hohenzollerisches Lesebuch für katholische Volksschulen

43 
keine Ruhe, wo er auch ging, und wo er auch saß. Ani andern 
Tage vernahm er, das kranke Kind sei im Walde gestorben und die 
Mutter mit den andern hinweggezogen. Da wurde ihm sein Garten 
samt dem Saale zuwider, und er genoß nicht mehr die Kühlung des 
rauschenden Stromes. Bald danach fiel er in eine Krankheit, und 
in der Hitze des Fiebers vernahm er immer des Schilfes Gelispel und 
das Rauschen des Stromes und das dumpfe Tosen des aufsteigenden 
Wetters. Also verschied er. 
46. Die Maus und der Löwe. 
(Nach Äsop.) 
Der Löwe schlief in seiner Höhle; um ihn her 
spielte eine Schar lustiger Mäuse. Eine derselben war 
eben auf einen hervorstehenden Felsen gekrochen, fiel 
herab und erweckte den Löwen, der sie mit seiner ge¬ 
waltigen Tatze festhielt. „Ach/4 bat sie, „sei doch 
großmütig gegen mich armes, unbedeutendes Geschöpf! 
Ich habe dich nicht beleidigen wollen: ich habe nur 
einen Fehltritt getan und bin von einem Felsen herab¬ 
gefallen. Was kann dir mein Tod nützen? Schenke 
mir mein Leben, und ich will dir zeitlebens dankbar 
sein!“ „Geh hin!“ sagte der Löwe großmütig und ließ 
das Mäuschen springen. Bei sich aber lachte er und 
sprach; „Dankbar sein! Nun, das möchte ich doch 
sehen, wie ein Mäuschen sich einem Löwen dankbar 
bezeigen könnte!“ 
KurzeZeit darauf lief das nämliche Mäuschen durch 
den Wald und suchte sich Nüsse. Da hörte es das 
klägliche Gebrüll eines Löwen. „Der ist in Gefahr!“ 
sprach es bei sich und ging der Stelle zu, von wo das 
Gebrüll herübertönte. Es fand den großmütigen Löwen 
von einem starken Netze umschlungen, das der Jäger 
künstlich ausgespannt hatte, um damit große Wald¬ 
tiere zu fangen. Die Stricke hatten sich so künstlich 
zusammengezogen, daß der Löwe weder seine Zähne 
noch die Stärke seiner Tatzen gebrauchen konnte, um 
sie zu zerreißen. 
„Warte nur, mein Freund,“ sagte das Mäuschen, 
„da kann ich dir wohl am besten helfen.“ — Es lief
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.