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keine Ruhe, wo er auch ging, und wo er auch saß. Ani andern
Tage vernahm er, das kranke Kind sei im Walde gestorben und die
Mutter mit den andern hinweggezogen. Da wurde ihm sein Garten
samt dem Saale zuwider, und er genoß nicht mehr die Kühlung des
rauschenden Stromes. Bald danach fiel er in eine Krankheit, und
in der Hitze des Fiebers vernahm er immer des Schilfes Gelispel und
das Rauschen des Stromes und das dumpfe Tosen des aufsteigenden
Wetters. Also verschied er.
46. Die Maus und der Löwe.
(Nach Äsop.)
Der Löwe schlief in seiner Höhle; um ihn her
spielte eine Schar lustiger Mäuse. Eine derselben war
eben auf einen hervorstehenden Felsen gekrochen, fiel
herab und erweckte den Löwen, der sie mit seiner ge¬
waltigen Tatze festhielt. „Ach/4 bat sie, „sei doch
großmütig gegen mich armes, unbedeutendes Geschöpf!
Ich habe dich nicht beleidigen wollen: ich habe nur
einen Fehltritt getan und bin von einem Felsen herab¬
gefallen. Was kann dir mein Tod nützen? Schenke
mir mein Leben, und ich will dir zeitlebens dankbar
sein!“ „Geh hin!“ sagte der Löwe großmütig und ließ
das Mäuschen springen. Bei sich aber lachte er und
sprach; „Dankbar sein! Nun, das möchte ich doch
sehen, wie ein Mäuschen sich einem Löwen dankbar
bezeigen könnte!“
KurzeZeit darauf lief das nämliche Mäuschen durch
den Wald und suchte sich Nüsse. Da hörte es das
klägliche Gebrüll eines Löwen. „Der ist in Gefahr!“
sprach es bei sich und ging der Stelle zu, von wo das
Gebrüll herübertönte. Es fand den großmütigen Löwen
von einem starken Netze umschlungen, das der Jäger
künstlich ausgespannt hatte, um damit große Wald¬
tiere zu fangen. Die Stricke hatten sich so künstlich
zusammengezogen, daß der Löwe weder seine Zähne
noch die Stärke seiner Tatzen gebrauchen konnte, um
sie zu zerreißen.
„Warte nur, mein Freund,“ sagte das Mäuschen,
„da kann ich dir wohl am besten helfen.“ — Es lief