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Hermann von Helmholtz. 
gespielt hat als mein Verdienst. Ich hatte die Theorie des Augen- 
leuchtens, die von Brücke herrührte, meinen Schülern auseinanderzu¬ 
setzen. Brücke war hierbei eigentlich nur noch um eines Haares Breite 
von der Erfindung des Augenspiegels entfernt gewesen. Er hatte nur 
versäumt, sich die Frage zu stellen, welchem optischen Bilde die aus 
dem leuchtenden Auge zurückkommenden Strahlen angehörten. Für 
seinen damaligen Zweck war es nicht nötig, diese Frage zu stellen. 
Hätte er sie gestellt, so war er durchaus der Mann dazu, sie ebenso 
schnell zu beantworten wie ich, und der Plan zum Augenspiegel wäre 
gegeben gewesen. Ich wendete das Problem etwas hin und her, um 
zu sehen, wie ich es am einfachsten meinen Zuhörern würde vortragen 
können, und stieß dabei auf die bezeichnete Frage. Die Not der Augen¬ 
ärzte bei den Zuständen, die man damals unter dem Namen des 
schwarzen Stares zusammenfaßte, kannte ich sehr wohl aus meinen 
medizinischen Studien. Ich machte mich sogleich daran, das Instrument 
aus Brillengläsern und Deckgläschen für mikroskopische Objekte zusammen¬ 
zukitten. Zunächst war es noch mühsam zu gebrauchen. Ohne die 
gesicherte theoretische Überzeugung, daß es gehen müßte, hätte ich viel¬ 
leicht nicht ausgeharrt. Aber nach etwa acht Tagen hatte ich die große 
Freude, der erste zu sein, der eine lebende menschliche Netzhaut klar 
vor sich liegen sah. 
Für meine äußere Stellung vor der Welt war die Konstruktion 
des Augenspiegels sehr entscheidend. Ich fand nun bei Behörden und 
Fachgenossen bereitwilligste Anerkennung und Geneigtheit für meine 
Wünsche, so daß ich fortan viel freier den inneren Antrieben meiner 
Wißbegier folgen durfte. Übrigens erklärte ich mir selbst meine guten 
Erfolge wesentlich aus dem Umstande, daß ich durch eiu günstiges 
Geschick als ein mit einigem geometrischen Verstände und mit 
physikalischen Kenntnissen ausgestatteter Mann unter die Mediziner ge¬ 
worfen war, wo ich in der Physiologie auf jungfräulichen Boden von 
großer Fruchtbarkeit stieß, und daß ich andrerseits durch die Kenntnis 
der Lebenserscheinungen auf Fragen und Gesichtspunkte geführt worden 
war, die gewöhnlich den reinen Mathematikern und Physikern fern 
liegen. Meine mathematischen Anlagen hatte ich bis dahin doch nur 
mit denen meiner Mitschüler und denen meiner medizinischen Kommili¬ 
tonen vergleichen können; daß ich diesen hierin meist überlegen war, 
wollte nicht gerade viel sagen. Außerdem war iu der Schule die 
Mathematik immer nur als Fach zweiten Ranges betrachtet worden. Im 
lateinischen Aufsatze dagegen, der damals noch wesentlich die Siegespalme 
bestimmte, war mir immer eine Hälfte meiner Mitschüler voraus gewesen. 
Meine Arbeiten waren nach meinem eigenen Bewußtsein einfach 
folgerichtige Anwendungen der in der Wissenschaft entwickelten experi¬
	        
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