III. Unsere Marine
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auch nicht den längsten Mann der Kompagnie neben dein kleinsten marschieren
und gibt nicht dem einen ein ganz altes und dem andern ein neues Gewehr
in die pand. Ohne gleiche Geschwindigkeit, gleiche Drehfähigkeit und andere
Manövriereigenschaften, gleiche Waffen, gleiche Panzerstärken läßt sich der
Gesechtswert eines Geschwaders nicht vollkommen ausnutzen. Dafür nur
ein Beispiel: pat der Geschwaderchef vier Schiffe mit Z8-cm-Kanonen und
ebensoviele, die mit zo-cm-Geschützen ausgerüstet sind, so muß er dem
feinde gegenüber in vielen Gesechtslagen so handeln, als ob alle seine Schiffe
zo-cm-Geschütze hätten; denn sonst würde er die Schiffe mit den kleineren
Geschützen überhaupt nicht ausnützen können. Ebenso ist es mit der Ge¬
schwindigkeit: das ganze Geschwader muß sich nach den langsamsten Schiffen
richten, denn sonst würden diese zurückbleiben, und der Zusammenhang des
Geschwaders wäre aufgelöst. Darin liegt eben die Stärke des Geschwaders,
daß es immer eng zusammengefaßt wird und einheitlich alle Bewegungen
ausführt, schießt und vorgeht.
Die neuzeitlichen großen Linienschiffe führen acht bis zwölf Geschütze
ganz großen Kalibers, daneben noch sogenannte Mittelartillerie und leichte
Artillerie. Die Hauptsache sind aber die schweren Geschütze. Aufgestellt
sind sie paarweise in drehbaren panzertürmen, und zwar so, daß sie entweder
alle oder ein großer Teil von ihnen zugleich nach derjenigen Seite gerichtet
werden können, wo der Feind fährt. Ein beträchtlicher Teil der Geschütze
kann auch nach vorn oder nach hinten gerichtet werden. Die Hauptsache
ist aber der Breitseitkampf. fahren die Linienschiffe eines Geschwaders
hintereinander, also in Kiellinie — das ist eine der häufig benutzten Ge¬
fechtsordnungen —, so könnten, wenn z. B. jedes Schiff zehn schwere Geschütze
hat, die sich in der modernsten Aufstellung befinden, von allen zugleich Ge¬
schosse gegen den Feind abgefeuert werden. Rechnet man eine Minute für
jeden Schuß, so würde das Geschwader innerhalb sünf Minuten 400 Schuß ab¬
geben. Dazu kämen darin noch die mittleren und kleinen Geschütze. Man
kann sich also vorstellen, wie in einer großen Seeschlacht die Panzergeschosse
und Granaten hageln.
Mehrere Geschwader zusammen pflegt man als eine Flotte zu be¬
zeichnen. Eine genaue Grenze ist hierbei nicht zu ziehen. Solange es irgend
geht, führt ein einziger Admiral, der Flottenchef, der auf einem besonderen
Linienschiff, dem Flottenflaggschiff sich befindet, den ganzen Flottenverband.
Werden es aber zu viele Schiffe, so daß er sie nicht mehr übersehen kann,
so werden besondere und selbständig arbeitende Verbände gebildet. Nach
unserm Flottengesetz soll die deutsche Pochseeflotte bestehen aus drei Linien¬
schiffsgeschwadern, die Neserveflotte aus zweien.
Damit alle diese Schiffe wirklich ein festgeordnetes Ganzes bilden und
in jeder Lage das Nichtige tun, damit sie gut schießen und manövrieren, ist
langjährige Übung notwendig. Die deutsche Flotte hat in Friedenszeiten
unausgesetzt und mit großem Ernste geübt. Immer war es das Streben
der Führer, die Übungen so zu gestalten, wie die Verhältnisse im Kriege
es voraussichtlich erfordern würden. Die Kriegsbereitschaft voll zu er¬
reichen, bildete das Ziel, und ist, das können wir sagen, erreicht worden.