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gestanden: was regte dort sich hinter jenem Busche? Sieh da, 
langsam des Wegs dahergeschritten kam ein Soldat, ein alter, 
abgedankter Soldat. „„Ist das ein Mensch?"" fragt' schnell der 
Wolf und stellte sich in Positur, ihn zu empfangen. „Nein!" 
sprach der Fuchs, „das ist ein Mensch gewesen!" Der Alte ging 
beiseit, sich im Gebüsch verlierend. — Nach Kurzem kam ein 
Knabe dieses Wegs, zur Schule wandelnd. „„Ist denn das ein 
Mensch?"" fragt' unser Grimmbart und erhielt zur Antwort: 
„Nein! Dieser Knabe will erst einer werden!" Unangetastet zog 
das Bürschlein weiter. — Und sieh, da kam ein Jäger her¬ 
geschritten im grünen Kleide, rüstig, doch bedächtig, die Doppel¬ 
flinte auf dem Rücken und an seiner Seite einen blanken Fänger. 
„Schau, Bruder Wolf, dort kommt ein Mensch gegangen!" be¬ 
gann der Fuchs; „das ist ein Mensch! Nun zeige, was deine 
Kraft vermag. Bald wird sich's finden, wer von uns Beiden 
Recht gehabt. Auf diesen geh tapfer los; ich aber will indessen 
mich fort in meine sichre Höhle schleichen." 
Jetzt galt es nun; und ohne langes Säumen ging Grimm¬ 
bart auf den Menschen rüstig los. Ihn faßt' des Jägers Auge. 
„Schade," sprach er, die Doppelflinte von dem Rücken nehmend, 
„daß keine Kugeln ich geladen habe!" Rasch legt' er an und schoß 
dem kühnen Wolfe den Schrot in das Gesicht. Der arme Schlucker 
verzog dasselbe zwar; doch ließ er sich nicht schrecken; er ging ohn' 
Säumen vorwärts und sonder Furcht dem Jäger immer näher. 
Da gab der Grünrock ihm die zweite Ladung. Der Wolf verbiß 
den Schmerz und rückte keck dem Jägersmann zu Leibe. Dieser 
zog nun seinen blanken Fänger, rechts und links ihn tüchtig fuch¬ 
telnd, also daß er heulend und blutend zu dem Fuchse nahm die 
Flucht, um sich in drssen Höhle zu verbergen. 
„Nun, Bruder Wolf," sprach Reinecke, der Fuchs: „Wie 
bist du mit dem Menschen fertig worden? Es scheint, du hast 
das Feld ihm räumen müssen!" — „„Ach,"" seufzt der Wolf, 
„„so hätt' ich mir fürwahr des Menschen Stärke nimmer vorge¬ 
stellt! Hör an, wie mir's erging mit diesem Gegner! Erst nahm 
er einen Stock von seiner Schulter und blies hinein ; da flog mir 
Etwas ins Gesicht, das brannt' und kitzelte gewaltig. Dann blies 
er noch einmal in seinen Stock; da flog's mir um die Nase kreuz 
und quer, wie Blitz und Donner, Sturm und Hagelwetter. Und 
als ich endlich ihm ganz nahe war, da zog er seitwärts eine 
blanke Rippe aus seinem Leibe, und mit dieser hat er so sehr auf 
mich Armen losgeschlagen, daß ich beinahe todt geblieben wäre, 
hätt' ich äie Flucht nicht alsobald ergriffen und Schutz gesucht 
in deiner sichern Höhle."" Da lächelte der schlaue Fuchs und 
sprach: „Wer har nun Recht? Hast endlich dich besonnen und dir 
ein andres Urtheil abgewonnen? Es macht's nicht Muth, es
	        
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