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„Nun sprecht, von wessen Schulden
Ist so mein Mahl bestellt?
Ihr müßt euch wohl gedulden,
Bis ihr besät mein Feld,
Bis in des Sommers Schwüle
Mir reiset eure Saat,
Und bis mir in der Mühle
Sich wieder dreht ein Rad.
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Ihr seht, der Westwind fächelt
In Stoppeln und Gesträuch,
Ihr seht, die Sonne lächelt,
Sie wartet nur auf euch!
Drum sendet flugs die Schlüffe!
Und öffnet euern Schatz,
So findet bei der Schüssel
Das Brot den rechten Platzt
®. SchwaL.
111. Das Tischgebet.
An der Tafel im Gasthaus zum goldenen Stern
Waren beisammen viel reiche Herrn.
Vor ihnen standen aus Küch’ und Keller,
Gar lieblich lockend, die Flaschen und Teller.
Schon saßen sie da in plaudernden Gruppen,
Die Kellner reichten die dampfenden Suppen
Und mehr noch begannen Gemüs’ und Braten
Mit süßem Wohlgeruch zu laden.
Da kam zur Türe still herein
Ein Fremder mit seinem Mägdelein.
Sie setzten sich unten am langen Tisch,
Um auch zu kosten von Wein und Fisch.
Oben klirrten die Löffel und Messer,
Klangen die Gläser und scherzten die Esser.
Auf einmal tönt gar hell und fein
Eine Stimme in den Lärm hinein,
Wie wenn von fern ein Glöcklein klingt,
Wie wenn im Wald ein Vogel singt.
Und wie auch der Strom der Rede rauscht,
Still wird es rings und jeder lauscht:
Der Krieger, der von den Schlachten erzählt,
Der Kaufmann, der über die Zölle geschmält,
Die Wandrer, die von Abenteuern
Gesprochen und von Ungeheuern,
Die Stutzer, die von Pferd und Wagen
Und Hunden und Moden so gar viel sagen.
Und wie sie schauen nach dem Orte,
Von woher dringen die lieblichen Worte:
Mit gefalteten Händen ein Mägdlein steht
Und spricht sein gewohntes Tischgebet.