193
Und verschwunden ist der Pfad.
Unter sich die steile Höhe,
Hinter sich des Feindes Nähe.
Mit des Jammers stummen Blicken
Fleht sie zu dem harten Mann,
Fleht umsonst; denn loszudrücken
Legt er schon den Bogen an.
Plötzlich aus der Felsenspalte
Tritt der Geist, der Bergesalte.
Und mit seinen Götterhänden
Schützt er das gequälte Tier.
„Mußt du Tod und Jammer
senden,"
Ruft er, „bis herauf zu mir?
Raum für alle, hat die Erde;
Was verfolgst du meine Herde?"
Schiller.
163. Die Alpen.
Unter den Alpen versteht man die im südlichen Teile von
Deutschland und in der Schweiz sich erhebenden, weit ausgedehn¬
ten Gebirge, deren Gipfel größtenteils mit ewigem Eis und
Schnee bedeckt sind. Am höchsten sind diese Kuppen an den
Grenzen der Schweiz gegen Italien. Auf den Alpen weiden
zahlreiche Viehherden, die von den Hirten, welche Älpler oder
Sennen heißen, gehütet werden. Hier werden den kurzen Som¬
mer über jene weltberühmten Käse bereitet, deren Güte sich stets
nach der Höhe der Alp richtet, auf der sie gemacht werden, so
daß die Käse der höchsten Alpen denen weit vorgezogen werden,
welche in geringerer Höhe oder gar in den Tälern bereitet
werden. Die Männer versehen hier das Geschäft des Melkens
und der Käsebereitung. Butter wird wenig gemacht, sie ist auch
nicht von besonderer Güte. Während des Sommers wohnt der
Senn in hölzernen Hütten, Sennhütten genannt, in denen auch
der Reisende oft ein Obdach sucht und dann mit der einzigen
Kost dieser Hirten: Milch, Molken und Käse fürlieb nehmen
muß. Wo die grünen Alpen aufhören, beginnt die Gegend des
ewigen Eises und Schnees, welche die höheren Gipfel bekleiden.
Diese Grenze ist oft so scharf abgeschnitten, daß man den einen
Fuß auf Rasen, den anderen auf Eis setzen, mit der einen Hand
den Schnee berühren, mit der anderen blühende Pflanzen greifen
Lesebuch für Mittel.- und Oberklassen. 13
Und der Knabe ging zu jagen
Und es treibt und reißt ihn fort,
Rastlos fort mit blindem Wagen
An des Berges finstern Ort;
Vor ihm her mit Windesschnelle
Flieht die zitternde Gazelle.
Auf der Felsen nackte Rippen
Klettert sie mit leichtem Schwung;
Durch den Riß geborstner Klippen
Trägt sie der gewagte Sprung;
Aber hinter ihr verwogen
Folgt er mit d?m Todesbogen.
Jetzo auf den schroffen Zinken
Hängt sie, auf dem höchsten Grat,
Wo die Felsen jäh versinken