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die Noth versöhnt! schon jetzt hat er Vertrauen zu uns gefaßt, viel¬
leicht wird er bald uns herzlich lieben, wenn wir ihm freundlich begegnen.
Kopfschüttelnd geht der Jäger, und alsbald tritt in das nur spär¬
lich erhellte Zimmer eine lange Gestalt ein, vor der du wohl mit Grauen
und Entsetzen zurückbeben würdest, begegnetest du ihr im einsamen Walde,
und hättest nicht in deiner Brust ein Herz voll echten Christenmuthes
und wahrer Jesusliebe. Lange schwarze Haare verbargen in wilder
Verwirrung fast gänzlich des Mannes tief gerunzelte Stirn, die Wangen
sind bleich und abgezehrt, das Roth der Lippen ist erstorben, und der
Blick aus schwarzen, hohlen Augen schweift bald unstät und mißtrauisch
im Zimmer umher, bald gleitet er funkelnd an dem Wirthe vorüber,
bald heftet er sich starr und matt an den Boden. Die Kniee wanken,
die Brust keucht vom angestrengten Laufe. Entschuldigungen unverständ¬
lich murmelnd, streckt der Müller seine dürren Hände dem Wirthe dar,
und dieser — wenn gleich aufs höchste betroffen — weicht doch nicht
zurück; getrost schlägt er ein und erwidert den krampfhaften Druck des
Gastes mit Milde und Freundlichkeit. Kein Wort von vergangenen
Zeiten. Mit liebreicher Theilnahme und frommem Sinne spricht der
Förster über die gegenwärtige Bedrängniß, düster und abgebrochen nur
antwortet der Müller. Unterdessen hat die emsige Hausfrau in Eile
ein erquickendes Nachtessen ausgetragen, ein Bett herbeigeschafft und mit
saubrer Wäsche bekleidet; und als sie nun Alles zur Labung des neuen
Hausgenossen bereitet, wünscht sie ihm eine sanfte Ruhe und geht mit
ihrem Gatten in die anstoßende Kammer zu den schlafenden Kleinen.
Hier, in andachtsvollem Gebete vereinigt, danken sie Gott für den
Segen des Tages, befehlen seiner gnädigen Obhut sich und die Ihrigen
und erflehen Labung und himmlischen Frieden für des Millers zer¬
rüttetes Gemüth. Alsbald umfängt sie ein sanfter Schlaf.
Nur wenige Stunden erst hatten sie geschlummert, da weckte sie
ein heftiges Pochen an der Kammerthür. „Der Müller ist — so ruft
ein Jägerbursche herein — von der gräßlichen Cholera befallen. — Er¬
laubt , Herr, daß wir ihn eiligst hinausschaffen, damit nicht auch Ihr
mit Weib und Kindern verderbt!"
„Mit nichten! da sei Gott vor!" erwiderte schnell entschlossen der
Förster. „Wartet des Kranken, wie ich euch gelehrt; gleich bin ich
selbst da!"
Und jo nimmt er die Kinder vom Lager, trägt sie hinauf in die
Bodenkammer und eilet hinab zu dem Kranken. Bald folgt ihm die
Gattin. Aber welch entsetzlicher, herzzerreißender Anblick bietet sich hier
dar! Von den heftigsten Krämpfen gefoltert, windet und wälzt sich der
Müller aus seinem Lager, schon verräth sein ganzer Leib alle gräßlichen
Zeichen der furchtbar zerstörenden Krankheit. Indeß noch ein anderer
Schmerz, noch ein gewaltsamerer Kampf scheint in der Brust des Mannes
zu sein. Denn je mehr der Förster und seine Gattin in emsiger Liebe
um ihn bemüht sind, desto heftiger bebt er vor ihrem Anblick zurück.
Bald birgt er sein Gesicht in die Kissen, bald schlägt er mit geballten