Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Das Kiud spricht: „Morgen ist's 
Feiertag, 
Wie will ich spielen im grünen Hag, 
Wie will ich springen durch Thal und 
Höh'n, 
Wie will ich pflücken viel Blumen schön; 
Dem Anger bin ich hold!" — 
Hört ihr's, wie der Donner grollt? 
Die Mutter spricht: „Morgen ist 
Feiertag, 
Da halten wir alle fröhlich Gelag, 
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid; 
Das Leben es hat auch Lust nach Leid; 
Dann scheint die Sonne wie Gold!" 
Hört ihr's wie der Donner grollt? 
Großmutter spricht: „Morgen ist's 
Feiertag, 
17 Die 
Großmutter hat keinen Feiertag, 
Sie kocht das Mahl, sie spinnet das Kleid, 
Das Leben ist viel Sorg' und Arbeit; 
Wohl dem, der that, was er sollt'I" — 
Hört ihr's, wie der Donner grollt? 
Urahne spricht: „Morgen ist Feiertag, 
Am liebsten morgen ich sterben mag, 
Ich kann nicht singen und scherzen mehr, 
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer; 
Was thu' ich noch auf der Welt?" — 
Seht ihr's, wie der Blitz dort fällt? 
Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, 
Es flammet die Stube wie lauter Licht: 
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind 
Vom Strahl mit einander getroffen sind, 
Vier Leben endet ein Schlag — 
Und morgen ist's Feiertag. 
(Gustav Schwab.) 
Kapelle. 
Droben stehet die Kapelle, Traurig tönt das Glöcklein nieder, 
Schauet still ins Thal hinab; Schauerlich der Leichenchor; 
Drunten sitzt bet Wies' und Quelle Stille sind die frohen Lieder 
Froh und hell ein Hirtenknab'. Und der Knabe lauscht empor. 
Droben bringt man sie zu Grabe, 
Die sich freuten in dem Thal; 
Hirtenknabe, Hirtenknabe! 
Dir auch singt man dort einmal. (Ludwig uhland.) 
18. 
Nach dem Sturme fahren wir 
Sicher durch die Wellen, 
Lassen, großer Schöpfer, Dir 
Unser Lob erschallen. 
Lobet Ihn mit Herz und Mund, 
Lobet Ihn zu jeder Stund'! 
Christ, Kyrie, komm zu uns auf dem See! 
Wie mit grimm'gem Unverstand 
Wellen sich bewegen! 
Nirgends Rettung, nirgends Land 
Vor des Sturmwinds Schlägen! 
Einer ist's, der in der Nacht, 
Einer ist's, der uns bewacht! 
Christ, Kyrie, Du schlummerst auf demSec. 
Schifferlied. 
Wie vor unserm Angesicht 
Mond und Sterne schwinden! 
Wenn des Schiffleins Ruder bricht, 
Wo nun Rettung finden? 
Wo sonst, als bei dem Herrn? 
Sehet ihr den Abendstern? — 
Christ, Kyrie, erschein' uns auf dem See! 
Einst, in meiner letzten Noth, 
Laß mich nicht versinken! 
Sollt ich von dem bittern Tod 
Well' auf Welle trinken: 
Reiche mir dann liebentbrannt, 
Herr, Herr, Deine Gnadenhand. 
Christ, Kyrie, komm zu uns auf dem See! 
(J°h- Falk.) 
19. Das 
Ich kenn' ein kleines Ackerfeld, 
Das Niemand eigen nennet; 
Doch jedem Bürger dieser Welt 
Ist Theil daran gegönnet. 
Ein Pflüger ist bestellt dafür, 
Die Furchen umzugraben, 
Drein bergen theuren Samen wir, 
Das Beste, was wir haben. 
Mit Thränen wird das Feld benetzt, 
Der Same scheint verloren; 
Doch eine Zeit bringt ihn zuletzt 
Veredelt, neu geboren. 
Ruheziel. 
Wann hehr der Morgenröthe Glüh'n 
Die schöne Zeit verkündet, 
Wird herrlich dann die Saat erblüh'n 
Daß jeder Zweifel schwindet. 
Ich kenn' ein Gärt'chen ruhig still, 
Wo Myrth' und Rosen sprießen, 
Und wo man, fern vom Weltgewühl, 
Kann sanfter Ruh' genießen. 
Versammeln viele Pilger gleich 
Sich hier, der Wallfahrt müde, 
Ist in dem heiligen Bereich 
Doch immer Ruh' und Friede.
	        
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