Object: [Theil 1 = [5. Schulj.]] (Theil 1 = [5. Schulj.])

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„Haffdeich“ entsteht, so wird der alte dadurch ein Binnendeich; denn 
man lässt diese bestehen, weil seine Wegschaffung sehr kostspielig 
sein würde, und weil er auch beim etwaigen Durchbruch des Haff¬ 
deiches doch noch schützen könnte. — Weil die Deiche erhaben 
und daher meistens trockener sind als die tiefliegenden Marschen, 
so fährt man gern auf ihrem Rücken hin, und es bilden sich daher 
namentlich auf den Binnendeichen Wege aus. Auf den Haffdeichen 
zu fahren, erlaubt man aber nicht in allen Marschländern, weil die 
Wagen dem Deiche schaden. — Die auf den hohen Deichen sich be¬ 
wegenden Wagen, Fussgänger und Reiter gewähren in der Ferne 
einen eigenthümlichen Anblick. Sie sehen gespenstisch aus und man 
begreift, warum die Marschbewohner so oft Gespenster auf den Deichen 
wandeln sehen. 
Als letzte Eigenthümlichkeit muss man noch die tiefen Gräben 
erwähnen, die um alle Marschwiesen und Marschäcker gezogen sind, 
um sie trocken zu legen, und dann die Kanäle und Schleusen, um 
die süssen Landgewässer in’s Meer abzuführen. Im Sommer sind die 
Gräben zum Theil trocken und voll Vieh, das darin grast. Die Kühe 
schienen mir alle ausserordentlich zahm, sanft und klug; denn eine 
jede, bei der wir vorbeifuhren, hob ihren Kopf aus dem Grase em¬ 
por, blickte uns neugierig an und brüllte, als wollte sie uns begrüssen. 
Kohl. 
16, Die Lüneburger Heide. 
Wenn der Harzer oder einer aus der Wesermarsch einmal sehen 
will, wie es in wasserarmes sandigen Ebenen aussieht, so braucht 
er nicht erst nach Pommern zu reisen, sondern er kann es näher 
haben an vielen Orten, am besten aber, wenn er in die Lüneburger 
Heide wandert. — Aber der Harzer hass bald satt, und er sehnt sich 
wieder von hinnen. Stand er daheim auf den Berggipfeln, so sah 
er weit hin über die schöne, freie Gotteswelt; stieg er hinab in das 
Thal, so türmten sich majestätische Berge, zackige Felsen empor. 
Das war so schön, so herrlich! In der Heide findet er das alles 
nicht; da geht es eben und schlicht hin, so weit das Auge reicht, 
und die kleinen Anhöhen sind nicht nennenswerth. Mag der Harzer 
nur nicht weiter reisen; er würde im ganzen nördlichen Deutschland 
doch keine Berge mehr finden. 
Dem Märscher will’s auch nicht behagen. Er mag die kläg¬ 
lichen Viehweiden und die kleinen Rinder nicht; es graut ihm, wenn 
er auf den sandigen Feldern das niedrige, dünnstehende Korn er¬ 
blickt, und die Klösse von seinem feinen Weizenmehle munden ihm 
besser als die Grütze vom dreikantigen Buchweizen. Kommt er gar 
aus dem Dorfe und dessen Feldmark hinaus in die unabsehbare Heide, 
so meint er: „Hier möcht’ ich weder lebendig sein noch todt.“ 
Was ist’s denn nur mit dieser Heide? — Betrachte einmal das 
Heidekraut. Es ist eine saftlose, holzige, vielästige Pflanze mit roth¬ 
grauer Rinde; die Blätter bemerkt man kaum, sie sind klein, grün¬ 
lichgrau und sehen fast aus, als wäre es nur eine Rauhigkeit an den
	        
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