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Waaren aus, haschen Diebe nach fremden Taschen, und treiben sich müßige
Zuschauer umher. Was die Erde Schaues und Kostbares trägt, das steht
hier aufgestapelt in gewaltigen Fässern, eisenbeschlagenen Kisten, mächtigen
Rollen und Körben. Waaren, die Millionen wert sind, scheinen wie auf
die Straße geworfen.
Außer den Menschen drängen sich am Elbufer auch Schiffe und Fahr¬
zeuge aller Art durcheinander. Die einen wollen vom User, lösen die mäch¬
tigen Ketten und suchen sich Bahn zu machen nach dem vollen Strom; andere
drängen heran nach dem Ufer oder nach den Kanälen, welche in die Stadt
hineinführen; wieder andere suchen eine bequemere Haltestelle, oder steuern
nach dem Zollamte; zwischen den gewaltigen Seeschiffen schießen buntfarbige
Gondeln oder leichte Fischerboote flüchtig hin und wieder. Zagend schaut
ihnen der unkundige Binnenländer vom Ufer nach; denn jeden Augenblick
fürchtet er, sie hier oder dort anprallen und umschlagen zu sehen. Aber
siehe! sie wenden stets zu rechter Zeit und entkommen der Gefahr.
Tage lang könnte man am Ufer stehen und dem geschäftigen Treiben
zusehen. Dort kommt ein schwerfälliger Dreimaster mit den Schätzen
Brasiliens; hier segelt ein schlanker Dampfer nach dem Kapland ab; neben
dem heimgckehrten Walfischfänger liegt der stattliche Oflindiensahrer, und
an dem amerikanischen Kauffahrteischiff rauscht der englische Postdampfcr
vorüber. Welch Knarren der Halteseile, welch Klappern der Taue und
welch Flattern der Segel; welch Gemisch verschiedener Sprachen und Trach¬
ten! Und dazwischen der Kommandoruf der Kapitäne und das langgezogene
Taktlied der an den Winden beschäftigten Matrosen!
Jährlich kehren etwa 8000 Schiffe in Hamburg ein, von denen viele
hunderte von außereuropäischen Ländern kommen; 500 Kaufleute besorgen
diesen Welthandel, in welchem sie jährlich Millionen umsetzen in Kaffee,
Tabak, Rohzucker, Reis, Indigo, Pfeffer, Baumwolle, Wein, Thierhäuten,
Korkstöpseln, Lichtern, Pökelfleisch, Eisen- und Kupferwaaren, Silber und
Seide, Leinwand und Seife, Radeln, Zwirn und Kattun. Jährlich werden
für 1200 Millionen Mark Waaren ein- und ausgeführt. Wie viel Hände
haben dabei zu thun!
Hamburg wird von der Alster, welche die Stadt durchströmt, in zwei
Theile getheilt. Außerdem durchschneiden zahlreiche Kanüle die Stadt. Auf
denselben fahren die Frachtschiffe bis an die großen Speicher der Kaufleute,
während über die 84 Brücken dieser Kanüle Frachtwagen, Rollwagen ulld
Karren hinüber und herüber rasseln.
Im Jahre 1842 wurde Hamburg von einem furchtbaren Brande,
welcher drei Tage und vier Nächte wütete, 71 Straßen und Plätze mit
fast 2000 Häusern zerstörte und 20000 Menschen obdachlos machte, heim¬
gesucht. An der Stelle der zerstörten Stadttheile sind eine Menge ganz
neuer Straßen mit den prachtvollsten Häusern entstanden. In diesen wohnen
die Kaufherren und Senatoren; auch enthalten sie eine Menge der schönsten
Läden. Der Jungfernstieg am Alsterbassin ist so großartig und schön, daß
selbst in den größten Städten nur wenig schönere Plätze gefunden werden.
Der verhältnismäßigen Ruhe und Stille dieses Stadtheils steht das
geschäftige und geräuschvolle Leben der Altstadt entgegen. Die Straßen
find hier enger und von hochgicbcligen Häusern eingefaßt, welche von der
obersten Dachkammer bis in den wohnlich eingerichteten Keller von Men¬
schen bewohnt werden. In diesem Stadttheil bewegen sich Fußgänger, Roll¬