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67. Werner Siemen).
seiner Eltern am nächsten lag. Früh zeigte der Knabe einen hervor¬
ragenden Sinn für Naturwissenschaften und technische Fragen. Im
18. Jahre trat er als Freiwilliger zu Magdeburg in die preußische
Artillerie ein. Als er den praktischen Dienst mit der Waffe erlernt hatte,
konnte er im Jahre 1835 die Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin
beziehen. Er fand hier reichliche Gelegenheit neben seiner militärischen
Tätigkeit auch das Studium der Mathematik, Physik, Chemie und Techno¬
logie zu pflegen. Nach zwei Jahren kehrte er als Unterleutnant zu
seinem Regimente zurück und setzte seine begonnenen Studien eifrigst fort.
Bald machte er Versuche um den Zusammenhang der Dinge nach Ursache
und Wirkung zu erkennen. Als erste Frucht dieser seiner Arbeiten ergab
sich ein neues Verfahren für Herstellung von Vergoldungen und Ver¬
silberungen auf galvanischem Wege. Er erkannte sofort, daß dieses Er¬
gebnis auch wirklichen Wert habe, und nahm 1841 auf seine Erfindung
ein preußisches Patent.
Zu jener Zeit waren neue Versuche aufgetaucht die von Stirling
1816 erfundene Heißluftmaschine umzugestalten und für das Gewerbs-
leben nützlich zu machen. Das veranlaßte auch Werner Siemens mit
seinen Vorschlägen für die Einrichtung einer derartigen Maschine hervor¬
zutreten. Er veröffentlichte darüber 1844 einen Aufsatz nebst Zeichnung.
Diese Arbeit ist für die Geschichte der Technik von bleibender Bedeutung.
Seinen Bruder Wilhelm sandte er nach England, um seine sinnreiche
Einrichtung der Regulatoren (mit Differentialwirkung) für Wärme-
maschinen zur Verwertung zu bringen. Er selbst war inzwischen nach
Berlin zur Dienstleistung bei den Artilleriewerkstätten beordert worden;
hier fand er für seine Neigungen ein angemessenes Arbeitsfeld und kam
auch mit gleichgesinnten jungen Männern in Berührung. Die An¬
wendung des elektrischen Funkens zur Messung der Geschwindigkeit der
Geschosse im Rohr und außerhalb desselben stammt aus dieser Zeit von
ihm und bedeutet einen gewaltigen Fortschritt. Hierdurch angeregt, erfand
er auch einen von den früheren Apparaten abweichenden Zeigertelegraphen
mit Selbstunterbrechung. Dieser 1847 patentierte Apparat fand rasch
große Verbreitung aus den deutschen Eisenbahnen. Um die Telegraphen¬
leitungen besser zu isolieren umgab er die Drähte mit Guttapercha.
Sein Versuch gelang und erregte großes Aufsehen. Infolge davon
wurde Siemens 1847 in die preußische Kommission für Einführung
elektrischer Telegraphen berufen. Im Jahre 1848 legte er unter An¬
wendung derart isolierter Leitungen die ersten unterseeischen Minen mit
elektrischer Zündung im Hafen von Kiel. Während seines dortigen Auf¬
enthaltes entwarf und leitete er auch den Bau jener berühmten Strand¬