Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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allerdings nicht angenehm ist, aber doch auch nicht mehr schadet, als 
wenn man in Brennnesseln greift. Aber mit den Froschessern möchte 
ich allerdings nicht zu Gaste sein, weil ihnen öfters statt Froschschenkel 
Krötenschenkel aufgetragen werden. 
Bewundernswürdig ist das zähe Leben der Kröte. Sie erträgt 
nicht nur harte Verwundungen, selbst Quetschungen ihres ganzen Kör¬ 
pers, ohne zu sterben, sondern man will auch cingewachsene Kröten in 
Bäumen und Steinblöcken noch lebend gefunden haben. Diese müßten 
Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende lang in diesen engen Behältern 
gesessen haben, ohne Nahrung und ohne Luft. Es ist schwer zu glau¬ 
ben, wird aber gleichwohl versichert; und erwiesen ist allerdings, daß 
die Amphibien sehr lange ohne Nahrung existiren können und in einer 
Art Erstarrung die Winterzeit hinbringen. Vielleicht also, daß es auch 
eine Erstarrung auf Jahrhunderte giebt. Ein Leben ist freilich ein 
solches Dasein in einern engen dunklen Kerker ohne Luft und Licht, ohne 
Bewegung und Nahrung nicht zu nennen. Da ist der Schmetterling 
mit seinem Leben von wenigen Wochen glücklicher zu preisen. 
24. Die Eidechsen. 
Daß viele Menschen sich vor den Schlangen fürchten, davon 
springen, oder sie des Lebens berauben, das ist noch wohl begreiflich, 
weil man sie für gefährlich hält und im zweifelhaften Fall lieber eine 
ungiftige todtschlägt, als von einer giftigen sich beißen läßt. Aber 
warum sind viele Leute sogar den Eidechsen feind, diesen unschuldigen 
Thieren, die niemanden beleidigen, niemanden schaden, vielmehr dem 
Landmanne nützlich werden, indem sie von allerlei kleinen Insekten oder 
sogenanntem Ungeziefer sich nähren? Höchstens können sie euch ein wenig 
erschrecken, wenn ihr so in euren stillen Gedanken dahinwandelt und auf 
einmal etwas im Laube rauscht. Aber wer ein gutes Gewissen hat, 
muß sich gewöhnen, nicht vor allem zu erschrecken. Wer ein böses Ge¬ 
wissen hat, dem ist freilich in diesem Punkt übel rathen. „Der Wind 
im Wald, das Laub am Baum saus't ihm Entsetzen zu." 
Nun, alle Leute sind so furchtsam freilich auch nicht, und im Früh¬ 
jahr, wenn man wieder ins Feld und ins Grüne geht, und überall in 
der mannigfaltigsten Gestalt das frohe Leben hervorwimmelt und laut 
wird, bleibt auch wohl ein verständiger Mann einen Augenblick vor 
einer Eidechse stehen, betrachtet ihr grünes Gewand, wenn es schöner 
als Smaragd an der Sonne schimmert, bewundert ihre unnachahmliche 
Geschwindigkeit und sieht mit Vergnügen ihren unschuldigen Spielen zu. 
Dann geht er mit guten Gedanken seines Weges weiter, riecht an seinem 
Frühlingsstrauß und kann sich nicht genug ergötzen an den blühenden 
Bäumen und farbigen Wiesen umher. 
Gott sorgt auch für diese Thiere. Sie haben nicht genug Wärme 
in sich, um den Winter über dem Boden auszuhalten; auch würde es 
ihnen an Nahrung und Gebüsch zum verborgenen Aufenthalt fehlen. Sie 
verkriechen sich daher und bringen den Winter im Schlafe zu. Ohne
	        
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