Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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ltert." Was muß also den Ausschlag geben?, Prüfung, ob man die 
Kräfte habe zu dem, was man wagen will, Überlegung, wie es anzu¬ 
fangen sei, Benutzung der günstigen Zeit und Umstände, und hinten- 
nach, wenn man sein wüthiges A gesagt hat, ein besonnenes B und 
ein bescheidenes C. Aber so viel muß wahr bleiben: Wenn etwas 
Gewagtes soll unternommen werden und kann nicht anders sein, so ist 
ein frischer Muth zur Sache der Meister, und der muß dich durch¬ 
reißen. Aber wenn du immer willst und fängst nie an, oder hast du 
schon angefangen, und es reut dich wieder und willst, wie man sagt, 
auf dem trocknen Lande ertrinken, guter Freund, dann ist „schlecht ge¬ 
wagt, ganz verloren". 
4. Rom ist nicht in einem Tage erbaut worden. 
Damit entschuldigen sich viele fahrlässige und träge Menschen, welche 
ihr Geschäft nicht treiben und vollenden mögen und schon müde sind, 
ehe sie recht anfangen. Mit dem Rom ist es aber eigentlich so zuge¬ 
gangen: Es haben viele fleißige Hände viele Tage lang vom frühen 
Morgen bis zum späten Abend unverdrossen daran gearbeitet und nicht 
abgelassen, bis es fertig war und der Hahn auf dem Kirchthurm stand. 
So ist Rom entstanden. Was du zu thun hast, mach's auch so! 
5. Ende gut, alles gut. 
Das ist nicht so zu verstehen: Wenn du ein Jahr lang in einem 
Hause zu bleiben hast, so führe dich drei hundert vier und sechzig Tage 
lang bengelhaft auf und am 31. December werde manierlich. Sondern 
es giebt Leute, die manierlich sein können bis ans Ende, und wenn's 
nimmer lang währt, so werden sie imgezogen, trotzig, sagen: Ich bin 
froh, daß es nimmer lang währt, und die andern denken's auch. Für 
diese ist das Sprüchwort. 
Item, es giebt Dinge, ob sie gut oder bös' sind, kann erst das 
Ende lehren. Z. B. du bist krank, möchtest gern essen, was dir der 
Arzt verbietet, gern auf die Gaffe gießen, was du trinken mußt, aber 
du wirst gesund; — oder du bist in der Lehre und meinst manchmal, 
der Lehrherr sei wunderlich, aber du wirst durch seine Wunderlichkell 
ein geschickter Weißgerber oder Orgelmacher; — oder du bist im Zucht¬ 
hause, der Zuchtmeister könnte dir wohl die Suppe fetter machen, aber 
du wirst durch Wasser und Brod nicht nur gesättigt, sondem auch ge¬ 
bessert. Dann lehrt das Ende, daß alles gut war. 
6. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. 
Mancher, der nicht an dieses Sprüchwort denkt, wird betrogen. 
Aber eine andere Erfahrung wird noch öfter vergessen: „Manches glänzt 
nicht und ist doch Gold," und wer das nicht glaubt, und nicht daran 
denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohl bestellten Acker, 
in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen, und eine 
fleißige Hand weiß es zu finden und ein ruhig Herz dazu, und ein gutes 
Gewissen glanzt auch nicht und ist dock mehr als Goldes werth.
	        
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