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26. Peter der Große.
(1682-1725.)
Peter der Große war der Sohn des russischen Czaren Stieget
und 1672 geboren. Schon seine Jugend war stürmisch bewegt. Frühe
starb der Vater, welcher Kinder aus verschiedenen Ehen hinterließ. Peter,
erst zehn Jahre alt, wurde zum Czaren und seine Mutter Natalia zur
Regentin ausgerufen. Dies erregte den bittersten Neid seiner schon er¬
wachsenen Stiefschwester Sophia, einer ehrsüchtigen, aber der nieder¬
trächtigsten Handlungen fähigen Person. Sie wandte sich an die Stre-
litzen, die regelmäßigen Truppen der Hauptstadt. Eine Verschwörung
entstand. Natalia und Peter flohen nach einem festen Kloster, 6 Meilen
von Moskau. Auch dahin folgten ihnen die Mörder. Nach langem
Suchen fanden sie Peter in der Kirche, am Altare knieend, vor ihm die
Mutter, die schützenden Arme ausbreitend. Eben wollte ein wüthender
Strelitz ihm das Messer in die Bri'st stoßen, als ein anderer ihm zu¬
schrie: „Halt, Bruder! nicht hier am Altar! Er kann uns ja doch
nicht entgehen!" — Das rettete den Czaren; denn eben Lar die Reiterei
erschienen und jagte die Meuterer aus einander. Peter versprach Ver¬
zeihung, wenn die Anführer ausgeliefert würden. Dreißig wurden hin¬
gerichtet; die Ruhe ward wieder hergestellt.
Peter wuchs kräftig heran. Sein Lieblingslehrer und Freund wurde
Lefort, ein Kaufmannssohn aus Genf, der nach mancherlei Schicksalen
und Reisen endlich nach Moskau gekommen war, und nun dem wi߬
begierigen Peter von fremden Ländern und Gebräuchen stets erzählen
mußte. Als er ihm einst die Einrichtung des europäischen Militärs
lebhaft beschrieben hatte, sprang Peter begeistert auf und rief: „Das
will ich auch versuchen!" In einem Dorfe bei Moskau errichtete er
eine Compagnie von 50 Jünglingen seines Alters: Lefort ward ihr
Hauptmann, und Peter diente selbst als Gemeiner; denn nur Verdienst,
nicht aber Zufall der Geburt sollte zur Auszeichnung führen. Dies
alles betrachtete Sophia im Anfang nur als ein Kinderspiel, bis in
ihr der Verdacht aufstieg, es könne doch eine ernstere Bedeutung haben.
Abermals entwarf sie mit ihren Vertrauten den Plan, Peter mit der
Mutter zu ermorden. Peter, zeitig gewarnt, floh wieder nach jenem
Kloster und rief seine 50 Freunde herzu. Diese mit vielen anderen kamen.
Die Verschworenen wagen keinen Angriff; Peter aber läßt die treulose
Schwester ergreifen und unter strengem Gewahrsam in ein Kloster bringen.
Rußland war damals noch nicht das großmächtige Land, das es
jetzt ist. Es hatte weder am schwarzen Meere, wo die Türken, noch
an der Ostsee, wo die Schweden herrschten, Häfen. Asow, die be¬
deutende Hafenstadt, hatten früher die Russen besessen; Peter mußte
es aber erst den Türken wieder entreißen. Um Seeleute zu gewinnen,
sandte er ganze Schaaren junger Leute nach Venedig und Livorno, ws
sie den Seedienst erlernen mußten.
Doch dies alles befriedigte seinen Geist noch nicht. Er fühlte, er
müßte selbst mit dem Beispiele vorangehen, wenn seine am alten Her-