Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

457 
europäische Nationen, die auf die Engländer eifersüchtig waren, besonders die 
Franzosen in ihr Jntereffe, wählten zu ihrem Anführer den berühmten. 
Washington, einen reichen Pflanzer, der sich auf das Kriegswesen wohl verstand. 
Die Colonisten standen den Engländern zwar an Ausrüstung und Kriegserfahrung 
weit nach; aber sie übertrafen die von diesen in Sold genommenen fremden 
Truppen, unter denen sich auch Deutsche: Hessen und Braunschweiger, 
befanden, an Muth, Vaterlandsliebe, Begeisterung für die Freiheit und besonders 
an genauer Kenntniß des Landes. Lange blieb der Kampf ohne Entscheidung; 
aber als 1777 bei Saratoga der englische General von den Amerikanern um¬ 
zingelt und zur Übergabe gezwungen, und 1781 ein zweites englisches Heer bei 
Uorktown durch Washington gefangen genommen worden, und England kein 
neues Heer zu senden hatte: da wurde im Frieden zu Versailles 1783 die 
Unabhängigkeit der nordamerikanischen Freistaaten anerkannt. Seit diesem 
Frieden hat der junge Freistaat staunenswerthe Fortschritte in der Bevölkerung 
und im Wohlstände gemacht; denn Tausende und abermals Tausende sind aus 
England, Irland, Frankreich und Deutschland nach der neuen Welt ausgewandert, 
um sich dort im Lande der Freiheit und des Wohlstandes niederzulassen. Urwald 
auf Urwald ist niedergesunken, Niederlassung auf Niederlassung entstanden, Städte 
auf Städte sind angelegt und wunderbar rasch bevölkert worden, Provinzen auf 
Provinzen haben sich gebildet. Die Zahl der verbundenen Staaten hat sich von 
13 auf 38 schon vermehrt. An der Spitze dieses Bundesstaates steht ein Prä¬ 
sident, der alle vier Jahre neu gewählt wird. Washington war der erste 
Präsident — zu seiner Ehre wurde auch die Stadt gleichen Namens ge¬ 
gründet und zur Hauptstadt des ganzen Freistaates und zum Versammlungsorte 
des Congresses (Abgeordneten-Versammlung) erhoben. 
Großen Einfluß auf das amerikanische Volk und seine Schicksale übte besonders 
der berühmte Benjamin Franklin. Er war der Sohn eines Seifensieders. Da 
sein Vater 17 Kinder hatte, so konnte er auf ihn, den jüngsten, nicht viel ver¬ 
wenden, und bestimmte ihn auch zu seinem Handwerke. Attein dieses gefiel ihm 
nicht, und er lernte bei einem Bruder die Vuchdruckerkunst. Nach mancherlei 
Widerwärtigkeiten legte er eine eigene Buchdruckerei an und war unermüdet thätig, 
dabei heiter und streng redlich. Dies verschaffte ihm das Zutrauen seiner Lands¬ 
leute, die gern bei ihm Bestellungen machten und ihn unterstützten. In seinen 
Feierstunden las er nützliche Bücher, und bald verfaßte er selbst kleine Schriften 
für das Volk, welche gern gelesen wurden; dann gab er eine Zeitung heraus, 
die große Abnahme fand. Durch tiefes Nachdenken und gründliches Forschen er¬ 
fand Franklin den Blitzableiter, wodurch sein Name in ganz Europa bekannt 
wurde. 
Enaland wollte diesen Mann für sich gewinnen, und ernannte ihn zum Ober¬ 
postmeister der amerikanischen Besitzungen; allein er blieb dennoch der Sache seines 
Vaterlandes ergeben. Bei dem Ausbruche der Mißhelligkeiten zwischen England 
und Amerika reiste er nach L ondon und vertheidigte hier die Rechte seiner Lands¬ 
leute niit eben so großer Weisheit als Freimüthigkeit. Als er im Jahre 1776 
wegen Abschließung eines Bündnisses mit Frankreich nach Paris kam, gerietst 
die ganze Stadt in freudige Bewegung; jeder wollte den ausgezeichneten Ameri¬ 
kaner sehen. Nicht selten saß der ehemalige Buchdrucker mit dem Könige zu. 
Tische. Bei seiner Aufnahme in die Gelehrtenversammlung Frankreichs ward er, 
als Erfinder des Blitzableiters und Befreier des Vaterlandes, mit dem eben so 
schönen als wahren Verse bewillkommnet: „Dem Himmel entriß er den 
Blitz, den Tyrannen das Scepter!" 
Franklin starb, allgemein verehrt und bewundert, in seinem 81. Jahre. Merk¬ 
würdig ist noch die Grabschrift, die er sich selbst setzte: „Hier liegt der Leib 
Benjamin Franklins, eines Buchdruckers, als Speise für die Würmer, gleich dem 
Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen, und der 
seiner Inschrift und Vergoldung beraubt ist. Doch wird das Werk selbst nicht 
verloren sein, sondern einst wieder erscheinen in einer neuen, schönern Ausgabe, 
durchgesehen und verbessert von dem Verfasser."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.