9. Vom Fels zum Meer. 45
Der preußische Seehandel verkümmerte selbst unter Friedrich dem Großen, weil
er nicht durch eine Kriegsflotte geschützt werden konnte.
Beim Friedensschluß vou 1815 mußte Schweden unter auderm auch sechs
kleine Kriegsschiffe zur Küsteuverteidiguug au Preußen abtreten. Dies war der
bescheidene Anfang zur preußischen Marine, die aber in den nächsten
Jahren fast gar nicht vergrößert wurde uud darum die deutscheu Handelsschiffe
nicht einmal in der Ostsee gegen Seeräuber zu schützen vermochte. Prinz
Adalbert, ein Neffe Friedrich Wilhelms III., drang darum nachdrücklich auf
die Vermehrung der Flotte. Unterstützt wurden seine Bestrebungen dadurch,
daß es Dänemark 1848—49 vermochte, die deutschen Seehäfen zu sperren,
deutsche Handelsschiffe aufzufangen und den gesamten deutschen Seehandel zu
lähmen. Alle Deutschen, ohne Unterschied der Parteien, verlangten nun den
Bau einer „achtunggebietenden deutschen Kriegsflotte". Für diesen Zweck wurden
vom Deutschen Bunde sechs Millionen Thaler bewilligt, und das Volk ver¬
mehrte diese Mittel durch Zuwendung von Schmucksachen, Silbergeschirr und
barem Gelde. Die in aller Eile geschaffene Kriegsflotte war aber weder kriegs¬
tüchtig noch lebensfähig; sie wurde zum Spott für England und andere Machte,
so daß der Bundestag ihre Auflösung beschloß.
Als man in Preußen sah, daß eine Bundesflotte nur sehr langsam
geschaffen werden könnte, wurde beschlossen, neben den Beiträgen zur Bundes¬
flotte noch besondere Mittel zur Begründung einer preußischen Kü st en-
flotte aufzubringen. Nunmehr wuchs die preußische Flotte langsam, aber sicher.
Es wurde ein Korps von Marinesoldaten und eine besondere Maschinisten¬
abteilung gebildet, und in Danzig eine Werst für Kriegsschiffe eingerichtet.
Junge preußische Offiziere gingen auf amerikanische Kriegsschiffe zur Aus¬
bildung. 1852 konnte die Kriegsflotte zum erstenmal einen großen Seezug
nach Westindien unternehmen, um seemännische Erfahrungen zu sammeln und
der Welt zu zeigen, daß Preußen endlich auch seinen Anteil an der See¬
herrschaft beanspruche. Zur Sicherheit für die junge preußische Flotte be¬
gründete Prinz Adalbert den Kriegshafen im Jadebusen, zu dessen Bau der
Großherzog von Oldenburg 1853 einen kleinen Teil seines Landes abtrat.
Dieser Hasen wurde 1869 fertig gestellt und Wilhelmshaven genannt. Er
hat heute noch eine große Bedeutung, weil er die Herrschaft auf der Nordsee
sowie die Teilnahme am Weltverkehr und am Welthandel sichert, während
die Ostseehäfen vorwiegend Wert für die Küstenverteidigung und den Küsten¬
handel besitzen. Der König belohnte die Verdienste des Prinzen Adalbert durch
die Ernennung zum Admiral. Die junge preußische Kriegsflotte vermochte jedoch
nicht zu verhindern, daß während des Krieges von 1864 die preußischen
Ostseehäfen zum Schaden des Seehandels von den Dänen gesperrt wurden.
Als im Jahre 1867 der Norddeutsche Bund gebildet wurde, entstand eine
„ Norddeutsche Bundes-Kriegsmariue" unter dem Oberbefehl des Königs von
Preußen. Dieselbe vermochte jedoch 1870/71 der übermächtigen französischen
Kriegsflotte gegenüber ihre Aufgabe nicht zu erfüllen. Die deutschen Ost- und
Nordseehäfen wurden gesperrt. Der deutsche Seeverkehr war völlig ab¬
geschnitten. Die Handelsschiffe lagen größtenteils unbenutzt in den Häfen;
wagten sie sich aber auf die See, fo wurden sie meistens von den französischen