Full text: Deutsch-Afrika und seine Nachbarn im schwarzen Erdteil

Äthiopische Bilder. 147 
den zwei zu dem andern: „Laß uns unfern Kameraden töten, damit 
wir einen größern Schatz haben." Dieser stimmte sogleich bei, und 
kaum hatten sie den dritten Räuber eingeholt, als der erste mit 
einem Streiche seines Säbels ihm den Kopf vom Rumpfe hieb. 
Die Beiden gingen dann eine kurze Strecke miteinander. Da sagte 
der Mörder: „Ich muß mehr als die Hälfte des Schatzes haben, 
weil ich unfern Kameraden tötete." „Wenn du damit anfängst, mehr 
als die Hälfte in Anspruch zu nehmen, dann wirst du schließlich das 
Ganze haben wollen," sagte der andere Räuber, welcher nicht darauf 
eingehen wollte. Da gingen sie mit ihren Schwertern auf einander 
los, und nachdem sie eine Zeit lang gefochten, hatten sie beide so 
viel Wunden empfangen, daß sie tot auf die Straße niederfielen. 
Als die drei Esel fanden, daß niemand sie mehr trieb, schlugen 
sie aus Gewohnheit den Weg nach des Holzhauers Hause ein, wo 
sie mit dem Schatze auf dem Rücken glücklich anlangten. Groß war 
das Erstaunen ihres Herrn, der auf Zubeydehs Befehl die schweren 
Säcke in das Haus schaffte. Als er aber einen derselben öffnete 
und der Glanz der Juwelen das ganze Zimmer erfüllte, rief Zubeydeh 
aus: „Gott ist groß! Nun sehe ich, daß mein Benehmen ihm an- 
genehm ist und daß seine Hand meine Absicht rasch zum Ziele führt." 
Da sie aber nicht wußte, was den Räubern zugestoßen war, und da 
sie dachte, daß der Eigentümer des Schatzes seinen Verlust in den 
Bazars verkündigen lassen würde, so beschloß sie, die Säcke einen 
Monat lang uueröffnet zu lassen, worauf sie nach dem Gesetze ihr 
Eigentum wurden, wenn sie nicht inzwischen zurückverlangt worden 
waren. Natürlich erfolgte kein Ausruf des Verlustes, und nach Ab- 
lauf des Monats war sie der Ansicht, daß sie volles Recht auf den 
Schatz habe, der nach ihrem Anschlage selbst größer war, als der des 
Kalifen Harun-al-Raschid. 
Sie befahl dem Holzhauer, ihr sogleich den berühmtesten Bau- 
meister von Bagdad zu senden, von dem sie gerade dem Palaste des 
Kalifen gegenüber einen andern Palast bauen ließ, der an Glanz 
alles übertreffen sollte, was man jemals gesehen. Zum Ankauf der 
. Baumaterialien und zur Auszahlung der Arbeiter gab sie ihm 
100 000 Goldstücke. „Wenn die Leute fragen," sagte sie, „für wen 
ihr den Palast baut, so sagt ihnen, für den Sohn eines fremden 
Königs". Der Baumeister dingte alle Arbeiter in Bagdad und 
folgte ihren Anordnungen so gut, daß in zwei Monaten der Palast 
vollendet war. Seinesgleichen war nie gesehen worden und der 
10*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.