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ein türkisches Heer und schloß die Kreuzfahrer ein. Nun brach wieder eine schreckliche
Hungersnot ans, und die Krieger lagen matt am Boden. Da trat eines Morgens ein
Priester mit einer Lanze hervor. Die hatte ihm, wie er sagte, der heilige Andreas als
diejenige bezeichnet, mit der Christus in die Seite gestochen worden sei. Das be¬
lebte den Mut der ohnmächtigen Krieger; sie fielen über die Türken her, schlugen sie
und eröffneten sich so den Weg nach Jerusalem.
7. Eroberung Jerusalems. Um die Pfingstzeit 1099 erreichte das Heer endlich
Jerusalem. Beim Anblick der heiligen Stadt fielen alle ans die Knie und stimmten
Lobgesänge an. Nach einer Belagerung von vier Wochen wurde die Stadt erstürmt,
und mit dem Rufe: „Gott will es!" drangen die Sieger in die Stadt ein, wo sie
furchtbare Rache an den Feinden nahmen. Dann erwählten sie Gottfried zum Könige
von Jerusalem; dieser aber lehnte die Krone mit den Worten ab: „Wo mein Heiland
eine Dornenkrone getragen, will ich keine Königskrone tragen". Er nannte sich nur
„Beschützer des heiligen Grabes", doch schon ein Jahr nachher starb er. Nun wurde
sein Bruder Balduin zum Könige von Jerusalem erwählt. (Noch sechs Kreuzzüge
wurden nach dem heiligen Lande unternommen, dennoch fiel nach 200 Jahren Jeru¬
salem den Türken wieder in die Hände.)
8. Einfluß der Kreuzzüge auf die Kultur. Die Kreuzzüge sind auf die Entwicklung
der europäischen Menschheit von größter Bedeutung gewesen. Durch sie gewann der
Papst, der ja als der eigentliche Oberbefehlshaber angesehen wurde, ganz bedeutend an An¬
sehen. Durch sie wurde der Ritterstand begeistert, sein Schwert dem Dienste Gottes zu wid¬
men. (Ritterorden S. 25.) Den schönsten Gewinn aber trugen die Städte davon. In den
fremden Ländern lernte man fremde Künste und Gewerbe kennen. Bald entwickelte sich nun
auch in der Heimat das Gewerbe zu großer Blüte. Man fing an, mit fernen Ländern Handel
zu treiben, und so gelangten die Städte bald zu großem Wohlstände. Auch für die Bauern
waren die Kreuzzüge nicht ohne heilsame Folgen, indem sie ihnen Gelegenheit gaben, ihre
Freiheit zu erlangen.
s5. Friedrich I. (Barbarossa). 1152—1190.
1. Abstammung und Persönlichkeit. Friedrich stammte aus dem Hause der
Hohenstaufen. Er war eilt gar stattlicher Held, mit feurig blauen Augen und hell¬
blondem, lockigem Haar. In allen ritterlichen Künsten wohlgeübt, war er noch als
Greis kräftig lvie ein Jüngling. Demütige Bitte fand leicht bei ihm Gehör, und den
Armen teilte er oft mit eigener Hand Almosen aus. Seines rötlichen Bartes wegen
nannten ihn die Italiener „Barbarossa" d. h. „Rotbart".
2. Kaiser und Papst. Friedrich lvünschte mit dem Papste in Frieden zu leben;
denn in der Einigkeit zwischen Kaiser und Papst sah er das Heil der Christenheit. Als
deshalb der Papst in Rom durch Aufruhr ans der Stadt getrieben wurde, eilte ihm
Friedrich zu Hilfe. Bei der Zusammenkunft aber führte er dem Papste das Pferd
nicht am Zügel und hielt ihm beim Absteigen nicht den Steigbügel, wie es Herkommen
lvar. Darob zürnte ihm der Papst. Friedrich fügte sich auch diesem Wunsche, und
beide zogen nun vereint in Rom ein. Bald nachher krönte ihn der Papst zum Kaiser.
Das Volk in Rom aber wollte ihn zwingen, sich erst das Kaiserrecht zu erkaufen.
Doch Friedrich erzwang es sich mit den Waffen und gab „Eisen statt des Goldes."
3. Mailands Zerstörung. Einige Jahre später mußte der Kaiser abermals mit
seiner Heeresmacht nach Italien ziehen; denn Mailand und andere Städte Nord-
italiens tveigerten sich, die Oberhoheit des Kaisers anzuerkennen. Als dann gar die
stolzen Mailänder den Brief des Kaisers, worin er sie zur Ordnung ermahnte, mit
Füßen traten, sollte ihre Stadt seine Zornesmacht fühlen. Zwei Jahre lang aber