Full text: Lehrbuch der Erdkunde für Gymnasien, Realschulen und ähnliche höhere Lehranstalten

Amerika. 
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manchen Inselgruppen trifft man einzelne ruhigere Arme (Paranas), die bisweilen 
meilenlang sind und ihres ruhigen Charakters wegen gern von der Schifffahrt aus¬ 
gesucht werden." (Ava-Lall ein ant). 
Der Fluß entströmt als Tunguragua dem Fclsensec Lauricocha in den 
peruanischen Anden und durchfließt in nördlicher Richtung ein heißes, mit dem 
köstlichsten Pflanzenwuchse bedecktes Bergthal, in welchem er bereits sehr wasser¬ 
reich, aber von schmalen Felspässen (PongoS) eingeengt wird. Zn einer Quer- 
spalte (Pongo de Manseriche) bricht er sich ans dem Gebirge Bahn. Seine Breite 
beträgt hier nur 50 m und überhängende Felsen und Bäume erzeugen Dämme¬ 
rung über dem grausigen Strudel, in welchem ununterbrochen eine Menge von 
Treibholz zerschellt und verschwindet. Von hier beginnt der lange Unterlauf des 
Stromes über eine fast völlig wagerechte Fläche, die mit unermeßlichen Urwäldern 
bedeckt ist. In Folge der zahlreichen und mächtigen Zuflüsse, die von den tropischen 
Regen gespeist werden, gewinnt der Strom schon viele hundert Meilen von seiner 
Mündung entfernt, eine ungeheure Breite und Tiefe. Von Nebenflüssen sind zu 
nennen (r.) der Pnrus und der Madeira, letzterer an Größe und Wasserfülle 
der Wolga vergleichbar, endlich der Tapajos und der wasserreiche Xingn; (l.) der 
Rio Negro, dessen Fluthen im Schatten desPalmengcbüsches schwarz erscheinen. 
Diese und die übrigen Waldströme bilden die einzigen Zugänge zu der Hyläa, der 
Waldöde, die den Amazonenstrom begleitet. Tage lang kann ein Dampfer umher- 
jagen, ehe er einmal eine Ortschaft antrifft, Wochen lang mag ein Segelschiff 
sich aufwärts gegen den Strom abarbeiten, che cs einem mit der Fluth daher trei¬ 
benden Fahrzeuge begegnet. Dagegen ziehen meilenlangc Ketten von Treib¬ 
hölzern mit den Wogen des Stromes dem Meere zu, wahre Inseln bildend, oder 
an den lehmigen Ufern strandend und chaotisch durch einander geworfen. Durch 
sein gewaltiges und periodisches Anschwellen verändert der Amazonenstrom den Cha¬ 
rakter seiner Umgebung wesentlich. Vom Juni bis zum November ist der nie¬ 
drigste Wasserstand, dann hebt sich der Spiegel des ungeheuren Stromes bis gegen 
Ende Mai um 20 m. Zn den fernsten Waldasylen dringen nun die Wogen; die 
Nebenflüsse zeigen viele Meilen oberhalb ihrer Mündungen keine Strömung 
mehr, sondern bilden scheinbar Landseen von unermeßlichen Dimensionen. Nach¬ 
dem die Wasser zurückgetreten sind, stürzen oft weite Strecken der Lehmwände in 
den Strom, so daß die Schifffahrt längs der Flußufer gefährlich ist. 
Der Amazonenstrom bildet kein eigentliches Delta, sondern hat nur eine 
(trompetenförmige) Mündung. Dagegen sendet er eine große Anzahl schmaler, 
mit dunklem, regungslosem Wasser angefüllter Kanüle dem Tocantins zu, der 
als Rio Para etwas südwärts mündet. Hierdurch wird die Insel Marajo 
(oder de las Juanes) gebildet. 
Die ungeheuren Wassermassen des Amazonenstromes gerathen an der Mündung 
zeitweise in Kampf mit der eindringenden Meeresfluth. Es ist dies die vom Schiffer 
gefürchtete Pororoca. In wenig Minuten erhebt sich die Meeresfluth mauerartig, 
überstürmt die Wassermenge des Flusses und eilt mit donnerndem Getöse stromaufwärts. 
An tiefen Stellen (den Esperas oder Wartestellen) verschwindet sie, erhebt sich dann 
wieder und ist noch 40 Meilen landeinwärts von der Mündung fühlbar. 
Die Wasser des Amazonenstromes sind unermeßlich reich an Fischen, Schildkröten 
und Seekühen, beherbergen aber auch zahlreiche Krokodile.
	        
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