Full text: Für die Mittelklassen mehrklassiger Schulen (Teil 1)

103 
weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze 
ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand 
sich in einer Einöde, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da 
ward ihm ganz heiss, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gau¬ 
men klebte. „Dem Ding ist zu helfen,“ dachte Hans, „jetzt 
will ich meine Kuh melken und mich an der Milch Iahen! “ Er 
band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte, 
so stellte er seine Ledermütze unter; aber wie er sich auch 
bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil 
er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige 
Tier endlich mit einem der Hinterfüfse einen Schlag vor den 
Kopf, dass er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar 
nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicherweise kam gerade 
ein Metzger des Weges, der auf einem Schiebkarren ein junges 
Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief er 
und half dem guten Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen 
war. Der Metzger sprach: „Die Kuh will wohl keine Milch 
geben? Das ist ein altes Tier, das höchstens noch zum Ziehen 
taugt oder zum Schlachten.“ — „Ei, ei,“ sprach Hans und strich 
sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! Es ist 
freilich gut, wenn man so ein Tier abschlachten kann; was 
giebt’s für Fleisch! Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch 
nicht viel; es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein 
junges Schwein hätte! Das schmeckt anders; dabei noch die 
Würste!“ — „Hört, Hans,“ sprach da der Metzger, „Euch zu 
Liebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh 
lassen.“ — „Schönen Dank für Eure Freundschaft!“ sprach 
Hans, übergab ihm die Kuh, liess sich das Schweinchen vom 
Karren losmachen und den Strick, daran es gebunden war, in 
die Hand geben. 
5. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles 
nach Wunsch ginge; begegnete ihm ja einmal eine Verdriesslichkeit, 
so wurde sie auch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich 
darnach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weifse Gans 
unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fing 
an von seinem Glücke zu erzählen, und wie er immer so vor¬ 
teilhaft getauscht hätte. Der Bursche erzählte ihm, dass er die 
Gans zu einem Hochzeitsschmause brächte. „Hebt einmal,“ fuhr 
er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist! 
Die ist aber auch acht Wochen lang gemästet worden.“ — „Ja,“ 
sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr 
Gewicht; aber mein Schwein ist auch nichts Geringes!“ Indessen 
sah sich der Bursche nach allen Seiten ganz bedenklich um,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.