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Kalb von der Kuh und das Füllen vom Pferde. Schon nach
wenig Tagen folgen sie ihrer Mutter bei den Spaziergängen im
Walde, dann werden ihre dünnen Beinchen kräftiger und flinker,
und nach wenig Wochen fangen fie auch an im Walde zu bota¬
nisieren. Sie suchen sich die zarten Grasfpitzchen heraus oder
die weichsten Blätter der Kräuter und verspeisen sie.
Aber es wird lebendig im Walde. Bald schlagen die Holz¬
hauer eine Abteilung Bäume nieder, bald ziehen ganze Scharen
Kinder durchs Gebüsch und suchen Heidelbeeren, Preißelbeeren
und Himbeeren. Da iftzs den Rehen dort nicht mehr behaglich,
sie wandern am Abend im Dämmerlichte aus, der Rehbock voran,
die Rieken mit den Kälbchen ihm nach, hinaus ins Getreidefeld.
Dort lagert sich die Familie am Tage, versteckt in den hohen
Halmen, und am Abende oder in der Morgendämmerung gehen
sie grasen. Sobald die Sensen klingen, wandert die Familie wieder
zurück in den Wald. Die braunen Haare, welche das Sommerkleid
bildeten, fallen aus, und es wachsen an ihrer Statt neue von
graubrauner Farbe, die nicht weich und geschmeidig, sondern rauh
und brüchig sind. Im Herbste verliert der Rehbock sein Geweih,
und wenn es nicht von selbst abfallen will, so stoßt er es sich
an den Baumstämmen ab.
Im Winter geht es der Rehfamilie nicht immer gut, zumal
wenn der Schnee jedes Grasfpitzchen und Krautblättchen zudeckt.
Dann verkriechen sich die armen Tierchen ins Fichtengebüsch und
schneien beim Sturme mitunter halb ein. Was giebt es da zu
fressen? Nur die harten Knospen der Büsche, nur Fichtenzweige
oder einen Grashalm, der mühsam unter dem Schnee hervorge¬
scharrt werden muß. Da kommt der Jäger, der sonst ihr Feind
ist, als Freund, und legt Heu für sie an bestimmten Plätzen aus.
Zu diesen Plätzen hin führen dann viele Spuren und Fährten.
Jedesmal sehen wir die Eindrücke von zwei Klauen neben ein¬
ander, etwa ähnlich wie beim Schafe, nur zierlicher. Wir sehen
daraus schon, daß das Reh auch der Ziege und der Kuh verwandt
ist. Es gehört zu den Zweihufern oder Wiederkäuern, die ihre
Nahrung beim Ausruhen noch einmal kauen, nachdem sie auf der
Weide den Magen gefüllt haben.
98. Knabe und Schmetterling.
Knabe:
Schmetterling,
kleines Ding,
sage, wovon du lebst,
daß du nur stets in Lüften schwebst!