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sich vom äußersten Westen des deutschen Landes bis zu seinem
entferntesten Osten die große deutsche Tiefebene hin. Anfangs,
im Westen, nur 40 Stunden breit, nimmt sie fortwährend an
Breite zu, je mehr man nach Osten gelangt, bis endlich die Ent¬
fernung zwischen der Ostsee und dem deutschen Gebirgslande 120
Stunden beträgt. Ihrer ganzen Länge nach erstreckt sie sich, von
den Ufern der Ems bis über die Weichsel hinaus, mehr als
225 Stunden. Wohin man auch kommt, überall sieht man, so¬
weit das Auge reicht, eine ebene Fläche; höchstens bieten sich den
Blicken einzelne Hügel und Hügelketten oder Landrücken dar, von
deren Höhen man eine weite Aussicht in das umliegende Land
genießt.
Am Saume der deutschen Meere ziehen sich reiche, frucht¬
bare Gegenden hin. An den Gestaden der Nordsee lagern sich
die Marschen, die dem Meere abgewonnen und durch hohe Deiche
gegen seine Wogen geschützt sind. Wohl entbehren sie des Schmuckes
der Gehölze und murmelnder Bäche, aber doch gewähren sie mit
ihren üppigen Weizen- und Gerstefeldern und ihren unabsehbaren,
herrlichen Wiesen, auf denen so viele Tausende von Rindern und
Pferden weiden, einen gar erfreulichen Anblick. An sie schließen
sich die höher gelegenen Geestgegenden mit ihren rauschenden Quellen
und munteren Flüßchen, ihren mannigfaltigen Kornfeldern, Ge¬
müseäckern und Wiesen und den Waldungen von Laub- und
Nadelholz. Zwischen den gesegneten Landstrichen ziehen sich oft
viele Stunden lang braune Heiden oder finstere, schweigsame
Moore hin, aus denen man mühsam den Torf gräbt. Die schönen
und fruchtbaren Gegenden an der Ostsee sind mit hohen, präch¬
tigen Buchenwaldungen geschmückt, zwischen denen reizende Seeen
ttt großer Zahl hervorschimmern. Der östliche Teil der deutschen
Tiefebene, vom rechten Ufer der Elbe an, enthält neben den vielen
Gegenden, wo der Boden seine Ernten in reicher Fülle spendet,
auch dürre, sandige Strecken, auf denen nur die genügsame und
ausdauernde Kiefer fortzukommen vermag.
Vom Hochlande im Süden her treten große Ströme in das
deutsche Tiefland und nehmen hier noch zahlreiche Nebenflüsse auf.
In stets sich verbreiterndem Bette fließen sie dem Meere zu, gegen
das sich die meisten mit weiter Mündung öffnen.
Ein Kranz blühender Handelsstädte zieht sich an den Ufern
oder in der Nähe der Nord- und Ostsee hin. Auf ihren Schiffen
führen sie Deutschlands Erzeugnisse den fremden Ländern zu und
bringen von diesen heimwärts die Waren, welche wir vom Aus¬
lande beziehen. Der Ostseeküste gehören an Königsberg und Danzig,
Stettin und Lübeck, der Nordsee die beiden größten Stätten des