Full text: Grundriß der Geographie für höhere Lehranstalten

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Arten des Horizontes. 
der Abgang eines mit dem Telegraphen gegebenen Signals von einem Orte 
und die Ankunft desselben an einem andern Orte als in demselben Augen¬ 
blicke erfolgend angesehen werden. Aus der Differenz der Zeit der beiden 
Örter, die an genauen Chronometern abgelesen werden muß, in Verbindung 
mit der Beobachtung, daß die Sonne zur Zurücklegung eines Grades vier 
Min. gebraucht, wird es möglich, die geographische Länge des Ortes zu 
berechnen. Ein von Berlin präzise 12 Uhr (mittl. Zeit) abgehendes tele¬ 
graphisches Signal trifft in Paris um 11 Uhr 15 Min. 46 Sek. ein; 
es beträgt also der Zeitunterschied zwischen beiden Örtern 44 Min. 14 Sek., 
44 14 
der Unterschied der geographischen Länge ---—= 11° 3' 
30". Da nun Paris genau 20 0 östlich von Ferro liegt, so beträgt die 
geographische Länge von Berlin 31° 3' 30". 
§. 23. 
Arten des Horizontes. 
1. Die mannichfachen Erscheinungen, welche erst in der Erklärung der 
scheinbaren Bewegungen der Gestirne, besonders der Sonne, ihre Begrün¬ 
dung finden, und die wir bisher nur für unsere Breite in Betrachtung ge¬ 
zogen haben, gestalten sich aber für die verschiedenen Breitenkreise sehr ver¬ 
schieden. Zu genauerem Verständnisse derselben bedürfen wir einer ein¬ 
gehenderen Betrachtung des Horizontes. Man unterscheidet den natürlichen, 
den astronomischen oder scheinbaren und den wahren Horizont. 
2. Den natürlichen Horizont oder die Kreislinie, in welcher der 
Himmel und die Erde einander zu berühren scheinen, können wir uns da¬ 
durch entstanden denken, daß die Gesichtslinie, welche von dem Auge des 
Beobachters ausgeht und, vie Erdkugel tangirend, in ihrer Verlängerung 
den Himmel berührt, während der Beobachter selbst einmal sich um sich 
selbst gedreht hat, den Mantel eines Kegels beschreibt, dessen Spitze im 
Auge des Beobachters, dessen Grundfläche aber ein Kreis am Hiinmel ist 
Der natürliche Horizont theilt demnach für den Beobachter den Himmel in 
einen sichtbaren und unsichtbaren Theil; ersterer wird größer, je höher der 
Standpunkt des Beobachters ist. Denkt man sich aber durch diesen Stand¬ 
punkt des Beobachters an die Erdoberfläche eine Tangente gezogen und 
durch diese eine Ebene gelegt, so heißt diese bis zum Himmel erweiterte 
Ebene (oder auch die Kreislinie, in der sie den Himmel berührt) der astro¬ 
nomische oder scheinbare Horizont für jenen Standpunkt. Legt man endlich 
parallel mit diesem astronomischen Horizonte durch den Erdmittelpunkt eine 
Ebene und denkt sich dieselbe bis an den Himmel erweitert, so ist diese 
Ebene (oder die den Himmel berührende Kreislinie) für jenen Standpunkt 
der wahre Horizont. Dieser halbirt die Himmelskugel und ist von dem 
astronomischen Horizonte um die Länge des Erdradius entfernt. Der astro¬ 
nomische Horizont kann demnach die Himmelskugel eigentlich nicht halbiren. 
Da aber gegen die ungeheure Entfernung der der Erde nächsten Fixsterne 
(4 Bill. Ml.) die Länge des Erdradius eine verschwindend kleine Größe 
ist, so können wir uns in Beziehung auf die Fixsterne den astronomischen 
Horizont als mit dem wahren Horizonte zusammenfallend und den 
Himmel als durch beide halbirt denken, so daß ein Fixstern für beide Ho¬
	        
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