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Der König stieren Blicks da saß, 
mit schlotternden Knieen und totenblaß. 
Die Knechteschar saß, kalt durchgraut, * 
und saß gar still, gab keinen Laut. 
Die Magier kamen, doch keiner verstand 
zu deuten die Flammenschrift an der Wand. 
Belsazar ward aber in selbiger Nacht 
von seinen Knechten umgebracht. H. Heine. 
4. Cyrus. 
Dem Astyages, Könige von Medien, träumte einmal, seine Tochter 
Mandüne gösse soviel Wasser auf die Erde, daß ganz Asien davon 
überschwemmt würde. Er legte seinen Traumdeutern, die man hier 
wie in Ägypten sehr hoch schätzte, den Traum vor, und sie deuteten 
ihn so: es solle von Mandane ein Sohn geboren werden, der ganz 
Asien beherrschen werde. Astyages erschrak darüber so sehr, daß er 
seine Tochter nach der kleinen, unbedeutenden Herrschaft Persis schickte 
und sie dort an einen Perser von guter Geburt verheiratete. Sie ge¬ 
bar einen Sohn, den sie Cyrus nannten. Kaum hatte der König dies 
erfahren, so ließ er das Kind vor sich bringen und gab es einem seiner 
Höflinge, Harpägus, mit dem Befehle, es zu töten. Der Mann 
hatte Mitleiden mit dem Kinde; anstatt es zu töten, gab er es einem 
Hirten, damit dieser es irgendwohin in einen Wald lege und es da 
feinem Schicksale überlasse. Der Hirt brachte es aber seiner Frau. 
Diese hatte gerade ihr Kind verloren und nahm mitleidig den kleinen 
Knaben als ihr eigenes Kind auf. Cyrus wuchs heran und wurde 
schön und stark. An einem Tage, als er mit anderen Kindern spielte, 
wählten ihn diese zu ihrem Könige. Eines von den Kindern wollte 
ihm nicht gehorchen, und Cyrus als König ließ ihm Schläge geben. 
Der Knabe lief zu seinem Vater, und dieser, ein vornehmer Mann, 
forderte vom Könige, daß er den Hirtenknaben Cyrus bestrafe. Der 
König ließ ihn kommen. Cyrus stand unerschrocken vor ihm und sagte 
mit Freimütigkeit, er sei von den Knaben im Spiele zum Könige gewählt 
worden und habe sich seines Rechtes bedient. Der Mut des Kna¬ 
ben, sein Stolz und einige Züge, die den Astyages an seine Tochter 
erinnerten, machten den König aufmerksam. Er erkundigte sich bei 
dem Hirten, der gestand alles. Doch hatte Astyages den Knaben 
liebgewonnen und schickte ihn seiner Tochter nach Persien, an dem 
Hofmanne aber, welcher den Befehl, das Kind zu töten, nicht voll¬ 
zogen hatte, nahm er blutige Rache. Er ließ des Harpagns Kinder 
töten, zerhauen und einige Stücke davon kochen, die er dem Vater zu 
essen gab. Nach der Mahlzeit entdeckte er dem Hofmanne, was er 
gegessen habe, und sagte ihm dabei, dies sei die Strafe für seinen 
Ungehorsam. Der beleidigte Vater verbarg seine Wut und schwieg; 
aber er wartete nur auf eine schickliche Gelegenheit, sich zu rächen.
	        
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