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Wohl heißt es: „Wer ein tugendhaft Weib gefunden, hat einen größeren
Schatz, denn köstliche Perlen. Sie thut ihren Mund auf mit Weisheit, und
auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre." M. Mendelssohn.
223. Geduld.
1. Es zieht ein stiller Engel
durch dieses Erdenland,
zum Trost für Erdenmängel
hat ihn der Herr gesandt.
In seinem Blick ist Frieden
und milde, sanfte Huld;
o solg' ihm stets hienieden,
dem Engel der Geduld!
2. Er führt dich immer treulich
durch alles Erdenleid,
und redet so erfreulich
von einer schönern Zeit.
Denn willst du ganz verzagen,
hat er doch guten Mut;
er Hilst das Kreuz dir tragen
und macht noch alles gut.
3. Er macht zu linder Wehmut
den herbsten Seelenschmerz
und taucht in stille Demut
das ungestüme Herz.
Er macht die finstre Stunde
allmählich wieder hell,
er heilet jede Wunde
gewiß, wenn auch nicht schnell.
4. Er zürnt nicht deinen Thränen,
wenn er dich trösten will;
er tadelt nicht dein Sehnen,
nur macht er's fromm und still.
Und wenn im Stnrmestoben
du murrend fragst: „Warum?"
so deutet er nach oben,
mild lächelnd, aber stumm.
5. Er hat für jede Frage
nicht Antwort gleich bereit,
sein Wahlspruch heißt: „Ertrage!
Die Ruhstatt ist nicht weit."
So geht er dir zur Seite
und redet gar nicht viel
und denkt nur in die Weite,
ans schöne, große Ziel.
Spitta.
224. Timon Fladde, der alte Invalide.
Wem seine Suppe nicht behagen will, fei's, weil keine Butterklöße und
Fleischstückchen darin sind, oder weil er gar nicht weiß, warum, der lasse sie
vom alten Simon Fladde kochen, der ein Koch war, wie's keinen mehr giebt,
obwohl er sich nur auf Wassersuppen verstand. Aber er bereitete sie sich
mit dem Salze der Arbeit und mit dem Schmalze der Zufriedenheit, die noch
über die des weit bekannten Johann des Seifensieders ging, der vielleicht
alle Tage Fleisch zu seiner Suppe hatte, während es sich bei unserem Simon
nur an: Sonntage im Topfe fand. So ein gottvergnügtes Leben hat aber
wohl nicht leicht ein Mensch bei Braten und Kuchen geführt wie Simon
Fladde bei Wasser und Brot. Da saß er, vormals ein Held im sieben¬
jährigen Kriege, nun ein ehrlicher Schuhflicker und Sänger dazu, in seiner
Lehmhütte und flickte vom frühen Morgen an, daß der Pechfaden nur so
pfiff, und sang sein „Wach' auf, mein Herz, und singe dem Schöpfer aller
Dinge", daß einem, wenn man gerade draußen vorbeiging, das Herz auch
aufwachen und aufgehen mußte. Und obgleich er sich am Abend oft nur