319 Allgemeine Erdkunde.
6) Die politische Lage. Die politische Eigenart eines Staates
wird nicht bloß durch die natürliche Lage auf der Erde bestimmt, sondern
in oft recht augenfälliger Form auch durch benachbarte Staatswesen. Die
Wirkungen dieser politischen Lage sind sehr verschieden je nach der
Ähnlichkeit der geographischen, völkischen und kulturellen Verhältnisse der
Nachbarn. Verwandte Lage zeigen Staaten mit meist kleinerem Umfange
da, wo Gleichförmigkeit in den menschlichen Lebensbedingungen in größerer
räumlicher Erstreckung herrscht (Dorfstaaten der Neger, angelsächsische König—
reiche im 5. Ihd., Balkanstaaten), Die isolierte Lage ist nachbarfrei
(Inselvölker, Oasenbewohner), Ihr Gegenstück ist die Binnenlage, bei
der ein Staat auf allen Seiten von Nachbarn umgeben ist (Serbien, die
Schweiz, Paraguay, Bolivia). Diese findet ihre gefährlichste Ausbildung in
der Umarmungslage, bei welcher eine vollständige Umschließung durch
einen einzigen Nachbar erfolgt (San Marino, Monaco). Unter den Rand—
lagen nimmt die am Meere, die Küstenlage, eine besondere Bedeutung
ein. Alle diese Lagen haben ihre politischen Vorzüge und Schwächen, daher
ihre besonderen polilischen Ideale, ihre besonderen staatlichen Bestrebungen und
Entwicklungen. Als politisches Lageideal im Zeitalter des modernen Weltver—
kehrs kann die gemilderte Binnenlage, die Mittellage, bezeichnet werden,
welcher bei reicher politischer Nachbarschaft des Zuganges zum offnen Welt—
meere nicht entbehrt (Deutschland, Osterreich-Ungarn). Ihre vollen Vorzüge
(vergl. S. 233) kann ein Staat in Mittellage freilich nur entfalten, wenn
er starke Machtmittel besitzt.
Druck von A. Klöppel, Eisleben.
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