Ritterwesen. Faustrecht. 
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mußte er statt dessen, wie jetzt etwa unsere gemeinsten Tagelöhner, 
drei Kreuzchen Hinmalen. Kein Wunder, daß also den Leuten die 
Zeit laug wurde, und daß sie sroh waren, wenn es einen Krieg 
gab. Im Frieden saßen sie auf ihren Schlössern, die sie sich ge¬ 
wöhnlich auf steilen Anhöhen erbauten und mit starken Mauern und 
Graben umgaben, und lebten da ein rechtes Herrenleben. Jeder 
solcher Edelmann war im Kleinen, was der Kaiser im Großen war. 
Meistentheils ritt er im Lande umher und besuchte seine Vettern 
und Freunde oder erhielt von ihnen Besuch. Da wurde dann 
geschmaust und wacker gezecht. Noch jetzt sieht man auf manchen 
alten Schlössern und in Kunstkammern die großen Humpen und 
Deckelgläser, aus denen unsere Vorfahren tranken. Sie sind 
manchmal so groß, daß sie einige Quart enthalten, und wurden 
doch wohl mehrmals'geleert, besonders wenn es viele Gesund¬ 
heiten zu trinken gab. Manche hatten wohl im Glase gewisse 
Abtheilungen, und bei jeder Gesundheit wurde eine Sprosse weiter 
getrunken; daher auch wohl das Sprüchwort entstanden sein mag: 
„Er hat einen Sparren zu viel im Kopf." — Daß es aber auch 
mitunter kreuzbrave, fromme und mäßige Ritter gab, ist nicht zu 
leugnen; nur war bei der allgemeinen Hinneigung des Zeitalters 
zur Rohheit nicht zu verwundern, daß jede Leidenschaft stärker 
hervortrat. Da damals die Obrigkeiten noch nicht so genau auf 
die Einzelnen Acht gaben, so konnten auch die Ritter thun, was 
sie wollten. Bei der kleinsten Veranlassung fielen sie überein¬ 
ander her, nahmen emaitber gefangen, warfen den gefangenen 
Feind ins enge Burgverließ, aus dem Mancher nie wieder befreit 
wurde, oder thaten einander sonst allen möglichen Schaden. Kurz, 
Jeder suchte sich selbst zu helfen. Das nennt man das Faust¬ 
recht, und so viele Mühe sich auch einsichtsvolle Kaiser gaben, 
es abzuschaffen, so vermochten sie doch nicht die gesetzliche Ord¬ 
nung eher herzustellen, als zu Ende des 15. Jahrhunderts. Es 
gab Ritter, die ein eigenes Gewerbe daraus machten, Andere zu 
berauben. Auf ihren Burgen oder auf hohen steinernen Thür¬ 
men, die sie sich auf irgend einer Anhöhe erbaut hatten, lauerten 
sie, bis He einen friedlichen Kaufmann oder einen andern Ritter 
des Weges ziehen sahen. Dann stürzten sie herzu, überfielen den 
Wehrlosen und führten die Beute auf ihre Burg, auf dereu Fe¬ 
stigkeit sie trotzten. Solche Ritter wurden Raubritter genannt. 
Manche solche Raubnester sind jetzt noch in wilden Ruinen zu 
sehen. Dadurch wurde alle Sicherheit gestört, und kaum wagte
	        
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