60 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
man in manchen Gegenden von einer Stadt zur andern ohne
starke Bedeckung zu reisen. Doch ist dabei zu erinnern, daß dieser
Unfug erst später stattfand (im 11. bis 13. Jahrhundert) und
nicht unter allen Kaisern gleich arg war.
Eine schönere Richtung nahm das Ritterwesen in Frank¬
reich; in Deutschland erhielt es dieselbe erst später. Dort hatten
Dichter schon früh die Thaten der großen Helden, die im Kampfe
mit Ungeheuern oder Sarazenen oder Räubern Ruhm erworben
hatten, besungen und diese Thaten ins Uebertriebene ausgemalt.
Durch diese Gesänge entstand in dem Herzen der jungen Edel¬
leute ein glühendes Verlangen, auch ähnlichen Ruhm zu erwerben,
die Welt mit ihren Thaten zu erfüllen und von den verderblichen
Feinden zu befreien, oder im rühmlichen Kampfe ehrenvoll zu
fallen. So entstand hier nach und nach jene Verbrüderung,
welche man Ritterschaft oder Ritterorden nannte. Alle, die
zu Rittern aufgenommen werden wollten, mußten von adeliger
Geburt und tadellosem Wandel sein, obgleich man es damit nicht
immer so gellau nahm. Jeder übernahm dabei gewisse Gelübde,
z. B. Wittwen und Waisen zu schützen, Frauen gegen jede Be¬
leidigung zu vertheidigen, gegen die Ungläubigen zu Felde zu
ziehen, Pilgrime zu beschirmen u. s. w. Die Knaben, die sich zum
Ritter vorbereiten wollten, fingen ihre Waffenübungen schon mit
dem siebenten Jahre an und wurden zuerst Buben oder Jun¬
ker genannt. Sobald es die Kräfte eines solchen Buben erlaubten,
wurde er einem Ritter beigegeben, den er auf der Jagd begleitete
und dem er bei Tische aufwartete. Auch wurde er wohl, wenn
sich auf dem Schlosse ein Kaplan befand, von diesem in einigen
Wissenschaften unterrichtet, was aber nicht für nöthig gehalten
wurde. Mit dem 14. Jahre wurde der Bube ein Knappe. Nun
bediente er den Herrn und die Frau, schnitt bei Tische die Speisen
vor, besorgte den Weinkeller, half dem Ritter beim An- und Aus¬
kleiden und ritt die Pferde zu. Ritt sein Herr aus, so hielt er
ihm den Steigbügel und begleitete ihn zu Pferde. Im Kriege
führte er ihm das Schlachtroß nach und trug ihm die Waffen
bis zur. Stunde des Gefechts. Hier standen die Knappen in der
zweiten Linie, um den Rittern nötigenfalls frische Waffen zu¬
reichen zu können. In den Stunden der Muße übten sie sich in
allerhand Waffenkünsten, die Stärke und Gewandtheit erforderten,
z. B. im Ringelstechen, im Voltigiren u. s. w. Hatte der Knappe
unter solcheü Uebungen und Geschäften das 21. Jahr erreicht, so