Friedrich Wilhelm IV.
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Persönlichkeiten auszeichnet, aber an wahrer Seelengröße, an
echtem Seelenadel und an hehrer Fürstenwürde hat ihn kein
gekröntes Haupt jemals übertroffen. In Zeiten schwerer Prü¬
fung und großen Kampfes hatte er feinem Volk als ein Muster
christlichen Ernstes und echter Vaterlandsliebe vorangeleuchtet;
seitdem war das Volk an ihn mit unzerreißbaren Banden der
Verehrung, der Dailkbarkeit und der Liebe gekettet, und selbst
als später in den Friedenszeiten mancher innere Zwiespalt die
Gemüther aufregte, war doch die Achtung vor dem trefflichen
Fürsten niemals gesunken, sondern das Volk drängte manche
Wünsche gern zurück, um den geliebten König in seinen späten
Regierungsjahrell nicht noch zu betrüben oder mit ungestümen
Forderungen zu drängen. Die alte Liebe des preußischen Volks
und manche neue Hoffnung empfing seinen Nachfolger auf dem
Throne, seinen Sohn Friedrich Wilhelm IV. Der in Gott
ruhende Vater hinterließ ihm als letztes Vermächtniß zwei rüh¬
rende Ansprachen, die eine „Mein letzter Wille" betitelt, die an¬
dere „an meinen lieben Fritz" gerichtet, Warnungen und Rath¬
schläge für den künftigen Thronfolger enthaltend. Beide Schrift¬
stücke athmeten denselben Geist der Milde und Besonnenheit,
welcher des Königs ganzes Leben bezeichnet hatte. Indem Frie¬
drich Wilhelm IV. dieselben dem Staatsministerium übergab,
fügte er einen Erlaß hinzu, in welchem er die Hoffnung aussprach,
daß die Liebe des Volks auf ihn übergehen werde, der entschlossen
sei, in den Wegen des Vaters zu wandeln.
Der Regierungsantritt wurde durch mehrere Schritte be¬
zeichnet, welche nicht nur als Beweise einer edlen Milde, sondern
auch als Anzeichen einer heranbrechenden freiern Entwickelung
von allen Seiten mit Freuden aufgenormnen wurden. Der König
erließ, eingedenk der Verzeihung, welche sein Vater in dem „letzten
Willen" für alle seine Feinde ausgesprochen, eine allgemeine Am¬
nestie für alle politischen Verbrecher, und rief mehrere durch
Patriotismus ausgezeichnete Männer, welche aber in die Ver¬
irrungen des Liberalismus verwickelt gewesen waren, besonders
den General von Bo Yen (als Kriegsminister) und den Dichter
E. M. Arndt, in den Staatsdienst zurück.
Die Hoffnungen des Volks steigerten sich zu einer lebhaften
Begeisterung, als Friedrich Wilhelm IV. bei den Huldigungen
in Königsberg nnb in Berlin selbst mit erhabenen Worten die
Ueberzeugung von seinen hohen Regentenpflichten und den ernsten