Einzug in Moskau. 
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seine Heere der Macht des Feindes nicht gewachsen; er hatte nicht 
halb so viel als dieser. Die Russen zogen daher langsam und 
fechtend in das Innere ihres Landes zurück. Napoleon schickte 
einen Theil des Heeres unter Oudinot auf die Straße nach 
Petersburg. Aber hier vertrat ihm Wittgenstein den Weg 
und vertheidigte sich so gut, daß trotz mehrerer Schlachten die 
Franzosen hier nicht weiter als bis zur Düna kamen. Besser ge¬ 
lang es Napoleon selbst, der mit seiner Hauptmacht gerade auf 
Moskau losging. Zwei Tage lang wurde zwischen den Franzo¬ 
sen und den Russen unter Barclay de Tolly und Vagration 
am 17. und 18. August 1812 bei Smolensk blutig gefochten; 
40.000 lagen todt oder verwundet auf bem Wahlplatze. Die 
Stadt ging meist in Feuer auf, und die Russen mußten sich zu¬ 
rückziehen. Jetzt übernahm der alte Kutusow den Oberbefehl 
über die Russen. Auch er ging immer weiter zurück, nahm aber 
alle Viehherden mit und machte das ganze Land, so weit er zog, 
zur Wüste, damit die Franzosen nichts fänden, die wirklich auch, 
seitdem sie die russische Grenze überschritten, mit Mangel zu 
kämpfen hatten und dadurch viele Menschen und noch mehr 
Pferde verloren. Am 6. und 7. September lieferte er den Fran¬ 
zosen die große Völkerschlacht an der Moskwa oder bei Mo- 
saisk. Eine blutigere Schlacht hat selten die Geschichte gesehen; 
80.000 Leichen sollen das Schlachtfeld bedeckt haben! Napoleon 
selbst rief, als er durch die Leichenhaufen ritt: „Ein solches Schlacht¬ 
feld habe ich noch nie gesehen!" Die Schlacht blieb unentschie¬ 
den. Aber Kutusow zog es vor, noch weiter zurückzugehen und 
lieber Moskau preiszugeben, als eine neue Schlacht zu liefern. 
Jetzt verließ Alles, was nur laufen oder fahren konnte, Moskau. 
Von 350,000 Menschen blieben kaum 30,000 zurück. Graf 
Rostopschin, Befehlshaber der Stadt und ein wüthender Fran¬ 
zosenfeind, machte, ehe er die Stadt verließ, alle Anstalten, Alles 
zu vernichten, was den Franzosen von Nutzen sein konnte. 
Sieben Tage nach der Schlacht, am 14. September 1812, 
erreichte Napoleon die Thore der Stadt. Sie standen offen, die 
Straßen waren leer, ganz wie einst in Rom beim Anzuge der 
Gallier. Kein Magistrat kam ihm entgegen; eine fürchterliche 
Stille lag über der ganzen ungeheuern Stadt. Mit Beklemmung 
hielt Napoleon endlich seinen Einzug und stieg im Kreml ab. 
Hier erst fing er an, sich zu beruhigen und rief freudig aus: 
„Also bin ich nun endlich in Moskau, im Kreml!" Indeß dauerte
	        
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