Full text: [Teil 2 = Kl. 6 u. 5] (Teil 2 = Kl. 6 u. 5)

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„Armes!" sagte das fremde Mädchen. „Komm, sei gut! So ein 
großer Bnü darf nicht heulen. Die Beinle und das Näsele sind noch 
ganz!" Damit faßte sie ihn an der Hand, hob ihn auf, stillte sein 
Weinen und brachte das Spiel in Gang. „Wie heißt bu denn, gutes 
5 Mädeli?" fragte der Knabe. — „Babeli!" war die Antwort. — „Ich 
hab' dich lieb, Babeli!" sagte das Kind und schmiegte sich an das 
Mädchen. 
Der Arzt war reisefertig, gab dem Knaben die Hand und sagte: „Sei 
brav, Heiri! Fall nicht und heul nicht!" 
10 Zu dem Mädchen sagte er: „Nun komm! Der arme Tropf wird mit 
Schmerzen auf uns warten." 
Das Mädchen reichte dem Heiri die Hand zum Abschied und sagte: 
„Behüt' dich Gott, lieb's Büebi!" Da klammerte sich der Knabe an ihre 
Schürze und rief: „Nicht fortgehen, Babeli! Du mußt hier bleiben, du 
15 bist so gut!" 
Das Mädchen machte sanft sein Händchen los und sagte: „Jetzt 
muß ich halt laufen und dem armen Schelm helfen, der mit seinem Arm 
nicht greifen kann. Nachher kann ich wiederkommen und mit dir spielen." 
„Du mußt aber auch gewiß kommen!" sagte das Kind eifrig. Der Arzt 
20 schritt wacker aus, und Babeli hielt gleichen Schritt mit ihm. Manches 
fragte der Arzt, und verständig antwortete das Mädchen. „Wie alt ist 
Heiri?" fragte sie. „Er ist am 12. Januar 1746 geboren, steht also 
im fünften Jahre! Er ist ein schwächlich und häßlich Kind!" sagte der 
Arzt mit einem Seufzer. „Hat aber so schöne Augen und ein liebes 
25 Wesen!" rief das Mädchen eifrig, und der Arzt nickte dazu. So erreichten 
sie den Bauernhof. Der Arzt untersuchte den verletzten Arm. „Aus dem 
Kugelgelenk gefallen!" sagte er. „Zwei Männer müssen kräftig ziehen, 
damit der Knochen oben wieder in seine Pfanne zurückspringt!" Es war 
aber nur ein Mann aufzutreiben, da alles im Felde war. „So will ich 
30 der zweite sein!" sagte Babeli. „Ich denke schon meinen Mann zu 
stehen!" Und tapfer half sie ziehen, also, daß ihr der Schweiß aus¬ 
brach. Der Verletzte stöhnte und ächzte; sie aber sprach ihm Mut ein. 
Endlich war alles überstanden, der Arm verbunden und der Verletzte 
sicher gebettet. 
35 Der Arzt wollte gehen, gab dem Mädchen die Hand und sagte: „Du 
bist eine Brave! Am liebsten nähme ich dich mit. Du könntest mir schon 
in meinem Hause passen!" 
„Warum nicht, Herr Doktor?" rief das Mädchen erfreut. „Ich bin 
mutterseelenallein in der Welt. Die Base hat mich um Gottes willen in 
40 das Haus genommen; aber sie braucht mich nicht. Ich suche mir halt 
einen Dienst und wünsche mir keinen lieberen als bei Ihnen!" 
„Das paßt ja gut!" sagte der Arzt. „So schnür dein Bündelchen 
und komm, mit!"
	        
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