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zügen der Gastbetten, das Garn selbst gesponnen hatte. Daß jedes
Stück dieser Aussteuer, die auf lebenslängliches Vorhalten be¬
rechnet war, dereinst von der Braut und ihren Schwestern eigen¬
händig genäht und gezeichnet war. galt der tüchtigen Bürgers¬
frau als eine Ehrensache. Es wäre auch schwer anders zu machen
gewesen. Fertiges Leinen konnte man wohl kaufen, aber nicht
fertige Wäsche oder gar die gesamte fertige Aussteuer.
Wie in diesem Punkt, so hielt man überhaupt in den Zeiten,
von denen wir reden, den Grundsatz hoch: „Was man selbst machen
kann, das muh man nicht kaufen." Man ah nicht bloh selbst¬
gebackenes Brot, man kleidete sich am liebsten in selbstgesponnene
und selbstgenähte Stoffe. Praktische Hausfrauen feierten einen
Triumph über den andern, wenn es ihnen gelungen war, die
Arbeit dieses und jenes Handwerkers überflüssig zu machen. Diese
färbte ihre alten Kleider neu auf: jene bereitete Kartoffelstärke.
Eine dritte sammelte monatelang alle Fettabfälle und kochte
Seife. Eine vierte zertrennte nach Bedarf ihre Betten, reinigte
selbst die Federn und stopfte sie wieder ein. Als man der Mühe
überdrüssig zu werden anfing, die Fuhböden von weihem Holz zu
scheuern, nahm manche selber den Pinsel zur Hand und strich mit
der eigenhändig aus Pigment und Öl bereiteten Farbe die Dielen.
Vollends das ganze Gebiet der Kleidung setzte die Hände
der Frauen unablässig in Bewegung. Mit Ausnahme des
Hausherrn und der erwachsenen Söhne, die mit der Be¬
schaffung ihrer Anzüge notgedrungen dem Schneider in die
Hände fielen, trugen sämtliche Familienglieder kaum je irgend¬
ein Stück, das nicht im Hause angefertigt worden wäre, sei es
von den weiblichen Hausgenossen allein, oder mit Hilfe von ge¬
schulten Arbeiterinnen, die auf Taglohn kamen. Noch muhte
jeder Stich mit der Hand genäht werden, wie auch jeder Strumpf
im Hause gestrickt wurde. Begreiflicherweise führten sowohl die
Vorliebe für das Selbstangefertigte, wie die gebotene Rücksicht
auf Sparsamkeit dazu, alle diese Gegenstände so dauerhaft wie
möglich herzustellen und durch Ausbessern, Wenden und Ändern
solange wie möglich zu erhalten.
Auf Reinlichkeit hielt eine gute deutsche Hausfrau damals
nicht weniger als jetzt. Beim grohen Neinmachen im Frühjahr
und Herbst blieb kein handgrohes Fleckchen im ganzen Haufe von
Besen und Scheuerbürste unberührt: daneben wurde die tägliche
und wöchentliche Reinigung der im Gebrauch befindlichen Räume
nicht vernachlässigt. Freilich war bei der soviel einfachern,
schmucklosern Einrichtung die Arbeit auch einfacher. Es gab in
bürgerlichen Häusern noch keine Atlasmöbel mit Holzschnitzerei,
keine Marmorfiguren, keine zerbrechlichen Majolikaschalen, keine
Smyrnateppiche. Die Wäsche, meinte man, könne nicht zu ihrem
Rechte kommen, wenn sie nicht mit Lauge behandelt und auf
Rasen gebleicht wurde. Und da das ein weitläufiges Verfahren
war, sammelte man auf und hielt nur zwei- oder dreimal im Jahr