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XII. Gesetz und Recht.
zogen werden. Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Strafet: können
nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht und verhängt werden. Das
Eigentum ist unverletzlich, es kann nur aus Gründen des öffentlichen
Wohls gegen Entschädigung in dringenden Fällen entzogen oder be¬
schränkt werden. Die Strafe der Vermögensentziehung findet nicht
statt. Die Freiheit der Auswanderung kann von Staats wegen nur
in bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden. Die Freiheit des
religiösen Bekenntnisses und der Vereinigung zu Religionsgesell¬
schaften wird gewährleistet. Der Genuß der staatsbürgerlichen Rechte
ist unabhängig vom religiösen Bekenntnisse. Die evangelische und die
römisch-katholische Kirche sowie jede andere Religionsgesellschaft ordnet
und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den Ge¬
setzen und der gleichgeordneten Aufsicht des Staats unterworfen.
Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. Für die Bildung der
Jugend soll durch öffentliche Schulen genügend gesorgt werden. Eltern
und deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder nicht ohtie den Unterricht
lassen, der fiir die öffentlichen Volksschulen vorgeschriebe:! ist. Unterricht
zu erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht
jedem frei, wenn er seine Befähigung nachgewiesen hat. Alle öffent¬
lichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten stehen unter
Aufsicht vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer
haben die Rechte und Pflichten der Staatsdiener.
Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und
Bild seine Meinung frei zu äußern. Jede Beschränkung der Pre߬
freiheit darf nur im Wege der Gesetzgebung geschehen. Preßvergehen
sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen.
Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche
Erlaubnis friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu ver¬
sammeln. Sie haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, die den
Staatsgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.
Das Gesetz regelt die Ausübung dieses Rechts. Politische Vereine
(die staatliche und öffentliche Angelegenheiten behandeln) können Be¬
schränkungen und vorübergehenden Verboten im Wege der Gesetz¬
gebung unterworfen werden. Das Petitions- oder Bittrecht steht allen
Preußen zu. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Beschränkungen
in Untersuchungen und Kriegsfällen sind gesetzlich festzustellen.
Alle Preußen sind wehrpflichtig. Die bewaffnete Macht kann
zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze
nur auf Ersuchen der Zivil- oder bürgerlichen Behörden verwendet
werden. Die bewaffnete Macht darf sich nur auf Befehl versammeln.
Vom Könige. Die Person des Königs ist unverletzlich. Die
Minister des Königs sind verantwortlich. Dem Könige allein steht
die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister,
befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Aus¬
führung nötigen Verordnungen. Er führt den Oberbefehl über das
Heer, besetzt alle Stellen im Heere sowie in den übrigen Zweigen des
Staatsdienstes, hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu
schließen, auch andere Verträge mit fremden Regierungen zu errichten.