Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

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I. Der Bauernstand sonst und jetzt. 
2. Sprüche, Sprichwörter und Merkworte. 
1. Mos. 3,19: Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein 
Brot essen. 
1. Kön. 4, 25: Sie wohnten sicher, ein jeglicher unter seinem 
Weinstock und Feigenbaum. 
Glückselig ist der Bauersmann, wenn er’s nur recht erkennen 
kann. 
Besser ein reicher Bauer, denn ein armer Edelmann. 
Ein Ackermann — ein Wackermann. Ackerwerk — Wacker¬ 
werk. 
In jedem Lande ist der Pflug der erste Gläubiger, gegen 
dessen Forderungen jede andere zurück tritt. (Burke.) 
Vor allem sei du mir gepriesen, Ackerbau! ln der Erde 
Furchenwunden streuest du siebenfältig Leben. Da hebt sich das 
Herz, da wächst der Geist. (B. Auerbach.) 
Glückselig jener, der, entfernt dem Weltgeschäfte, sein Vater¬ 
feld mit eignen Stieren wohl durchpflügt. (Horaz.) 
Nicht der Stand ehrt den Mann, sondern der Mann den Stand. 
Der eine dient mit Kunst, der andre mit den Waffen; doch 
muss der Bauernstand uns allen Brot verschaffen. 
3. Der deutsche Sauer. 
Mit dem zähen Beharren des Bauern hängt ein mächtiges Selbst¬ 
gefühl zusammen, ein stolzes Bewußtsein seines gesellschaftlichen Wertes. 
Der unverfälschte Bauer schämt sich nicht, ein Bauer zu sein; es liegt 
ihm im Gegenteil nahe, jeden andern zu unterschätzen. 
Der Bauer vom echten Schrot und Korn beneidet den vornehmen 
Mann keineswegs. Die Geschichte weiß von Bauernaufruhr aller Art 
zu berichten, wodurch der geplagte Landmann sein Geschick zu bessern 
dachte; aber ein Streben der Bauern, aus ihrem Stand und Beruf 
herauszutreten, vornehme Leute werden zu wollen, den Pstug liegen 
zu lassen, ein solches Streben ist bei den deutschen Bauern ganz un¬ 
erhört. In den niederen Schichten der städtischen Gesellschaft beneidet 
der Geringere den Höheren und möchte wohl in seine Stelle einrücken. 
Der Fabrikarbeiter, der Handwerker wünscht nicht bloß seinen Arbeits¬ 
verdienst erhöht, — das wünscht der Bauer auch, — er will aufhören, 
Fabrikarbeiter, Handwerker zu sein; er möchte auch ein großer Herr 
werden. Der Bauer kennt diesen erbärmlichen Neid nicht; er ist noch 
von dem edlen Stolze des Standesgeistes beseelt, den früher auch der 
Handwerker besaß, und der ihn so ehrenwert und tüchtig erscheinen 
ließ. Wird der Landmann von Leuten anderer Stände über die Achsel 
angesehen, so ist er sofort mit dem schlagenden Satze zur Hand: „Wenn
	        
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